Nürnberg
Georg Gruber muss auf Urteil warten

Gute Erfolgsaussichten für Hilpoltsteiner Kläger gegen Volkswagen - Gerichtsverhandlungen am Fließband

16.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:39 Uhr
Zähes Verfahren gegen Volkswagen: Für einige der betroffenen Dieselbesitzer ist es am Ende sogar ein Draufzahlgeschäft. −Foto: dpa

Nürnberg/Hilpoltstein (HK) Die Sache zieht sich hin: Georg Gruber, selbstständiger Ingenieur aus Hilpoltstein, bekommt im Prozess gegen Volkswagen vermutlich Recht, auf ein Urteil muss er allerdings bis April warten. Gruber hatte den VW-Konzern wegen Betrugs verklagt, weil der Autobauer zwar ein Software-Update für Grubers Audi Q5 Diesel angeboten hatte, aber keine Garantie übernehmen wollte. Am Montagnachmittag kam es zum Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.

Richter Peter Ziegler hat einen Stapel Akten neben sich liegen. Er verhandelt seit 9 Uhr morgens ausschließlich Klagen von betrogenen Autofahrern gegen den Volkswagen-Konzern oder einen der großen Händler in der Region. Und Ziegler wird auch den ganzen Tag nichts anderes mehr tun. Die Verhandlungen finden fast im Viertelstundentakt statt, juristische Fließbandarbeit. Oft sind sogar die Anwälte die selben, nur die Kläger wechseln.

"wg Abgassoftware" steht als Klagegrund auf der Anschlagtafel vor dem Gerichtssaal 259. Um 14.30 Uhr ist ein Mann an der Reihe, der Volkswagen - wie alle an diesem Tag - auf Nutzungsausfall verklagt hat. Er will seinen alten Diesel, in den Volkswagen seine illegale Abschalteinrichtung eingebaut hatte, an den Konzern zurückgeben. Ein Handyfoto vom Kilometerstand reicht dem Richter und dem Anwalt von Volkswagen als Nachweis aus. Schnell wird gerechnet. Gretchenfrage: Wie hoch ist die Entschädigung, die Volkswagen bezahlen muss? VW muss zwar den Wagen zurücknehmen, der Käufer muss sich aber die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Dabei geht das Gericht in Nürnberg von einer Gesamtlaufleistung von 250000 Kilometern aus. Da viele Dieselfahrzeuge seit Bekanntwerden des Betrugsskandals im September 2015 schon 100000 Kilometer und mehr auf dem Tacho haben, fällt die Entschädigung oft gering aus. Für den Mann, der seinen Wagen schon rund 200000 Kilometer gefahren hat, bevor es zu dem Gerichtstermin kam, bleibt also kaum noch etwas übrig.

Doch das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen, wie Richter Ziegler dem Kläger erklärt: "In der Regel geht Volkswagen auch in solchen Fällen in Berufung." Dann muss das Oberlandesgericht entscheiden. Meist ziehen die Betrogenen kurz zuvor ihre Klage zurück, weil der VW-Konzern eine gütliche Einigung anstrebt und eine Entschädigung zahlt. Für die betroffenen Dieselbesitzer ist so ein Prozess aber oft ein Nullsummenspiel, für einige bleibt es ein Draufzahlgeschäft. Denn sie müssen sich ja ein neues Auto kaufen.

Auch der Audi des Hilpoltsteiners Georg Gruber ist seit August 2018 stillgelegt. Weil noch einige Unterlagen fehlen, räumte Richter Peter Ziegler beiden Parteien eine weitere Frist bis Mitte März ein, dann wird er ein schriftliches Urteil fällen. Wahrscheinlich wird Volkswagen auch in diesem Fall verurteilt, wahrscheinlich geht der Konzern auch in diesem Fall in Berufung.

So ziehen sich die Verfahren hin. Volkswagen hatte ab 2008 rund zwölf Millionen Dieselautos weltweit so manipuliert, dass sie auf dem Prüfstand zwar hervorragende Werte erzielten, sobald man aber das Lenkrad bewegte, blies der Diesel ein x-faches an Stickoxid in die Luft. Der massenhafte Betrug wurde unter dem Stichwort Dieselgate bekannt.

Während der Volkswagenkonzern in den USA Milliarden an Entschädigung an seine Kunden zahlen musste, genügte in Deutschland ein Software-Update zur Behebung des Betrugs. Wer allerdings wie Georg Gruber dieses Update verweigerte, weil er Schäden für einige Teile seiner Abgasreinigung befürchtete, der geriet in die Mühlen der Bürokratie.

Verweigerte ein Besitzer die Rückrufaktion, meldete das Kraftfahrtbundesamt dies der örtlichen Zulassungsstelle. Die forderte den Autobesitzer dann auf, das Update durchführen zu lassen und entzog im Falle der Weigerung die Zulassung. Doch auch beim TÜV bekamen die Fahrzeugbesitzer Probleme. Wer 18 Monate nach der ersten Aufforderung des Herstellers noch immer kein Update machen ließ, bekam bei der nächsten Hauptuntersuchung keine TÜV-Plakette mehr. Die Prüfer erkennen laut ADAC in diesem Fall auf einen "erheblichen Mangel" und fordern den Halter auf, diesen unverzüglich zu beseitigen - ähnlich wie bei defekten Bremsen oder einer schadhaften Lichtanlage.

Wer sich dagegen wehren will, muss vor Gericht gehen. Meist alleine. Erst seit November 2018 ist in Deutschland eine Sammelklage möglich. Über 300000 Autofahrer haben sich inzwischen der Massenklage gegen Volkswagen angeschlossen. Das Verfahren läuft noch. Sollten die Kläger gewinnen, muss trotzdem noch jeder Einzelne anschließend sein Recht vor Gericht durchsetzen. Das werde dann allerdings wesentlich einfacher, sagt Richter Ziegler. Doch noch fehlt bei der Sammelklage eine Entscheidung. Und die Entschädigung der Kunden schmilzt dahin.

Robert Kofer