Schrobenhausen
Georg Berger erstmals auf dem Bürgermeisterstuhl

Das proSob-Urgestein vertritt Schrobenhausens Stadtoberhaupt Harald Reisner für zwei Wochen

11.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:27 Uhr
"Ich bin sehr schnell im Aktenlesen": Georg Berger bringt seine Fähigkeiten, die er als Richter erlernt hat, in seinen Vertretungsjob als Schrobenhausener Bürgermeister ein. Nachdem er von Harald Reisner, der für zwei Wochen im Urlaub ist, die Amtsgeschäfte übernahm, verschaffte hat sich Berger zunächst einen Überblick. −Foto: Spindler

Schrobenhausen - Das hätte sich Georg Berger nicht träumen lassen, als er vor 18 Jahren für die Wählervereinigung proSob in den Schrobenhausener Stadtrat einzog: Jetzt sitzt er auf dem Stuhl des Bürgermeisters. Zwei Wochen vertritt der pensionierte Amtsrichter Amtsinhaber Harald Reisner.

Der Schreibtisch sieht sehr übersichtlich aus, alles liegt an seinem speziellen Ort. Platz zum Ablegen wäre also noch ausreichend vorhanden. "Das sieht nur so aus, weil ich noch nicht so lange da bin", sagt der 64-jährige Jurist mit einem Lächeln auf den Lippen. "Ich bevorzuge mehr so ein organisches Ordnungssystem", sagt Berger und zwischen den Zeilen schwingt die Nachricht mit, dass in Bälde so eine Art kreatives Chaos auf dem Schreibtisch von Harald Reisner, der sich zwei Wochen von den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit erholt, im Büro über der Bäckerei in der Lenbachstraße vorherrschen würde. Und Berger sieht auch keinen Grund, das zu verneinen. Für ihn gibt es eine klare Maxime: Ordnung als Selbstzweck funktioniere nicht, sie sei nur zuweilen durchaus hilfreich.

Auch sein ehemaliger Beruf als Amtsrichter ist nach Bergers Worten für ihn als "amtierender Bürgermeister" ebenfalls ganz hilfreich. Die erste Amtshandlung seiner ersten Bürgermeistervertretung war es, die wohlgeordneten Ablagekästen mit säuberlicher Beschriftung an der Wand des Büros schnell mal durchzuschauen. Viel Kritisches habe er nicht gefunden, bekennt Berger. Aber, und da hilft ihm sein Hang zum kreativen Chaos: "Wenn jetzt einer kommt und nach einem Thema fragt, finde ich ganz schell in den Kästen, was gesucht wird." Und noch etwas kommt Berger aus seinem ehemaligen Beruf zupass: "Ich bin sehr schnell im Aktenlesen." Übung macht eben doch den Meister.

Zum ersten Mal als Bürgermeister kandidiert hat Georg Berger vor 18 Jahren. Wie er heute unumwunden zugibt, habe sich die Wählergruppe proSob auch als Reaktion auf die Amtsführung des damaligen Bürgermeisters Josef Plöckl (CSU) gegründet. Plöckl gewann die Wahl. Am 27. August 2002 sollte eine außerordentliche Stadtratssitzung stattfinden, in der über Haushaltsfragen beraten werden sollte. Berger erinnert sich heute noch genau an die Ereignisse von damals. Plöckl habe den entsprechenden Tagesordnungspunkt aufgerufen und CSU-Fraktionschef Josef Soier habe gleich den Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte gestellt, fasst es Berger heute kurz zusammen. Was dann passierte, sollte eine lange Zeit das Bild von proSob prägen: Georg Berger, Jakob Mahl und die übrigen Mitglieder der Ausschussgemeinschaft mit DU und BVS sowie die Mitglieder der SPD-Fraktion verließen unter Protest den Sitzungssaal. Plöckl sagte daraufhin die Sitzung ab. Natürlich gab es noch das eine oder andere kurze Wortgefecht bei dieser Skandalsitzung, wie sie genant wurde. "Eine positive Erinnerung" verbinde er damit, sagt Berger heute. Wenn eine Seite die Regeln breche, so Berger, müsse man eben auch manchmal mit einem Regelverstoß antworten.

Für manche hat Berger damals auch das Richtige gesagt, aber in seiner Darbietung gelegentlich überzogen. Berger hört sich das an und sagt dann ganz ruhig: "Es mag richtig sein, dass es in der Außenwirkung so erschien." Für ihn selber waren aber seine streitbaren Wortbeiträge eher Ausdruck seines Engagements. Er hält nach eigenen Worten nicht viel von "geschulten Politikern", die "alles cool, an sich vorbeiziehen lassen" und mit "gedrechselten Statements" reagierten. Manchmal müsse eben auch mal Klartext gesprochen werden.

Und das hat Berger auch als Bürgermeisterkandidat gerne getan. Seit 2002 hat er bei allen Bürgermeisterwahlen den Frontman für proSob gegeben. Mit einer Ausnahme: die Kommunalwahl im März dieses Jahres. Irgendwann muss mal Schluss sein, meint Berger. Wobei er betont: "Ich möchte das nicht missen." Es seien sehr interessante Erfahrungen gewesen. Auch die Arbeit im Stadtrat bot Berger durchaus Erleuchtendes: "Den Sozialkundeunterricht habe ich jetzt im Stadtrat nachgeholt." In der Praxis sei eben doch manches anders als in der Theorie. Und etwas ruhiger als vor 18 Jahren sei er inzwischen auch geworden, gibt Berger zu.

Jetzt sitzt er im Bürgermeisterbüro, telefoniert mit dem stellvertretenden Landrat Klaus Angermeier aus Aresing und Bürgern, für die er gerne ein offenes Ohr haben möchte. Dabei befolgt er aber einen Grundsatz aus seiner langjährigen Berufspraxis: Er will immer auch die andere Seite hören. Denn es gehe immer auch darum, möglichst viele Interessen im Blick zu haben. Ein gesundes Maß an Skepsis sei ebenfalls angebracht. Und keine Berührungsängste. Aber die habe er schon als Richter nicht gehabt. Er freue sich auf die Gespräche mit Bürgern, sagt Berger und schon klingelt das Telefon.

Beim Tagesablauf im Rathaus orientiert sich Berger an der Stadtverwaltung. Zwischen 8 und 8.30 Uhr werde er die Tage als Amtierender beginnen. Wie lange er jeden Tag im Rathaus verbringen werde, weiß er noch nicht: "Mal sehen, was so alles kommt." Auf jeden Fall wolle er in seiner Amtszeit mal alle in Schrobenhausen verstreuten Teile der Verwaltung persönlich aufsuchen, damit die Mitarbeiter auch wüssten, wer denn da im Rathaus sitzt.

"Mal sehen, ob ich das sechs Jahre machen kann", blickt Berger in die nähere Zukunft voraus. Der frischgebackene Opa betrachte seine Bürgermeistervertretung als "einen schönen Abschluss". In sechs Jahren bei der nächsten Kommunalwahl solle Schluss ein. Doch ganz so rigoros klingt das nicht. Wenn die proSob-Liste nicht voll werde und dann keine Liste zu Wahl antreten würde, könnte er sich vielleicht doch vorstellen nochmals für den Stadtrat zu kandidieren, denkt Berger laut nach. Zumindest will er das nicht kategorisch ausschließen. Und für den noch nicht absehbaren Fall erscheint Berger eines relativ sicher: "Aber wahrscheinlich werde ich dann nicht mehr mit vollem Elan angreifen."

SZ

Jürgen Spindler