Eichstätt
"Genieße es, umgeben von Eichstättern zu sein"

Der einstige Spitzenbergsteiger Günter Sturm hat nie den Kontakt zu seiner Heimat verloren

24.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:36 Uhr

Waghalsiges Seilmanöver: Günther Sturm 1981 in Pakistan, bei der Überquerung des Domordo-Flusses. - Foto: Summit Club

Eichstätt/München (EK) Er ist einer dieser Menschen, die von einer gewissen Aura umstrahlt werden, ein Mann, der einen Raum nicht einfach nur betritt. Denn wenn Günter Sturm (kleines Foto) die Türschwelle überschreitet, ist er zu spüren. Vielleicht liegt es an seine Vergangenheit als einstiger Spitzenbergsteiger? Immerhin hat er unter anderem vier Achttausender bestiegen hat. Doch das war vor Jahren schon so, als der gebürtige Eichstätter noch Gründer und Geschäftsführer des Summit-Clubs, der Bergsteigerschule des Deutschen Alpenvereines, war. Bewusst steuert er das jedenfalls nicht, denn Sturms Auftreten ist zwar selbstsicher, aber freundlich, ruhig und bescheiden. Vor Kurzem, am 8. Januar, ist er 77 Jahre alt geworden. Schon lange lebt Sturm in München und Starnberg, hat seiner Heimatstadt Eichstätt aber trotzdem nie den Rücken gekehrt. Im Gegenteil, kommt das Gespräch auf das Altmühltal, beginnen seine Augen zu leuchten. Grund genug für den EICHSTÄTTER KURIER zu einem Gespräch über die Themen Eichstätt und Heimat.

Wie lange haben Sie in Eichstätt gelebt?

Günter Sturm: Ich bin gebürtiger Eichstätter und habe dort bis zu meinem 18. Lebensjahr gelebt. Danach bin ich zum Sport-Studium nach München gegangen. Da ich auch eine Ausbildung zum staatlich geprüften Skilehrer und Bergführer gemacht habe, bin ich natürlich in der Bergsteigerstadt München hängen geblieben.

 

Wenn der Anlass passt, sind Sie aber jetzt noch regelmäßig in Eichstätt.

Sturm: Stimmt. Heute bin ich Ehrenmitglied der Sektion Eichstätt. Aber ich hatte immer gute Beziehungen hierher und wenn irgendeine Festlichkeit ist, bin ich natürlich da. Zum Beispiel bei der Eröffnung des neuen Kletterzentrums. Man kann den Eichstättern nur gratulieren. Es ist großartig, was sie da geleistet haben.

 

Gibt es auch noch familiäre Verbindungen in die Stadt?

Sturm: Ja, mein Bruder Gerd Sturm war lange Zeit Vorsitzender der Sektion Eichstätt. Über ihn habe ich noch immer einen engeren Bezug zur Sektion. Und dann biete ich jedes Jahr in Südtirol eine Wanderwoche für die Eichstätter an. Da sind meist um die 40 Leute dabei. Ich genieße das einfach, umgeben von Eichstättern zu sein.

 

Erstaunlich ist es trotzdem, dass Sie nach so langer Zeit noch an der Stadt hängen . . .

Sturm: Ach, zum einen hat man natürlich noch Freunde hier. Und zum anderen liebe ich Eichstätt. Einfach, weil es eine wunderschöne Stadt ist und sie wunderschön liegt. Ich freue mich immer wieder, wenn ich komme und nach Konstein oder Dollnstein fahre. Ich schaue mir dort gern die Kletterfelsen an, wo ich ja meine ganze Jugend verbracht habe.

 

Ist die Anekdote richtig, nach der Sie die Begeisterung fürs Klettern entdeckten, als Sie am Marktplatz mit Touristen ins Gespräch kamen, die zum Klettern am Burgstein bei Dollnstein waren? Und Sie dann zu Ihrem Spezl Harti Bauer gesagt haben, das machen wir auch.

Sturm: Nein, so ganz stimmt das nicht. Die Jugendgruppe der Alpenvereins-Sektion Eichstätt hatte einen Ausflug zum Burgstein gemacht und wir waren dabei. Klettern durften wir noch nicht, wir waren erst 13 und 14 und haben halt ein paar Abseil-Übungen gemacht. Aber wir haben gesehen, wie einer der besten Kletterer der Sektion, der Heinz Böhm, mit ein paar anderen einen sehr schwierigen Dolomit-Quergang in gut 40 Metern Höhe absolviert hat. Am Ende des Weges war eine Kassette mit einem Buch, in das man eintragen konnte, diesen schweren Weg geklettert zu sein. Ein paar Tage später habe ich zu Harti dann gesagt, das machen wir auch. Wobei für uns natürlich nicht das Klettern das Wichtigste war, sondern das Eintragen in das Buch.

 

Die Tour dürfte aber nicht ganz ungefährlich gewesen sein?

Sturm: Natürlich, denn wir sind vollkommen ohne jede Ausrüstung und mit Turnschuhen diesen Quergang geklettert. Ich bekomme heute noch einen Schweißausbruch, wenn ich daran denke. Denn eigentlich hätte einer von uns oder eigentlich wir beide abstürzen müssen, denn dieser Quergang ist ja nicht leicht. Es war unsere erste Klettertour, aber es hätte auch unsere letzte sein können. Wenn du diesen Quergang siehst, dann weißt du sofort, dass der wirklich schwer ist. Aber wir sind ihn dann in unserem Leichtsinn auch noch zurück geklettert.

 

Dafür werden sie nicht nur Lob geerntet haben?

Sturm: Nein, aber ich muss es dem Karl Biechele, dem damaligen Vorstand der Sektion, noch heute hoch anrechnen, dass er uns danach eine Ausrüstung, Seile, Karabiner und Haken zur Verfügung gestellt hat. Einfach, dass wir nicht wieder solch einen Blödsinn machen.

 

In München haben Sie später den ersten künstlichen Klettergarten gebaut. Sie gelten als der geistige Vater der Kletterhallen.

Sturm: Ich arbeitete 1968 als Abteilungsleiter bei der Firma Sport Scheck. Weil es keinen Klettergarten in München gab, habe ich der Geschäftsführung vorgeschlagen, einen zu bauen, um Kletterkurse anbieten zu können. Ich wollte vor allem die verschiedenen Sicherungstechniken und Klettertechniken vermitteln. Nachdem die Geschäftsführung zugestimmt hat, haben wir einen für die damalige Zeit erstklassigen Klettergarten gebaut, der auch viele Nachahmer gefunden hat. Das war wohl der indirekte Vorläufer der heutigen Kletterhallen.

 

Sie sind vor allem später, nachdem Sie zum Deutschen Alpenverein gewechselt sind und Geschäftsführer des Summit Clubs wurden, viel gereist und haben etliche der höchsten Gipfel der Erde bestiegen. Gibt es ein Land, das Sie in der Erinnerung noch heute richtig bewegt oder geprägt hat?

Sturm: Ich hatte natürlich das Glück, dass ich mehr oder weniger alle großen Berge der Welt bereisen oder besteigen durfte. Es ist sehr schwer zu sagen, was mich am meisten berührt hat. Ich habe ein paar ganz außergewöhnliche Reisen oder Erstbegehungen auch in Patagonien gemacht. Aber mein Herz hängt sehr an Nepal.

 

Woran liegt das?

Sturm: Wir haben dort für die Entwicklung des Trekkings sehr viel getan und ich bin noch heute mit dem Agenten, der sehr vieles organisiert hat, befreundet. Es gab ja kaum Strukturen fürs Bergsteigen oder Trekking und ich habe 1970 mit ihm zusammen begonnen, das Trekking aufzubauen. Er hatte natürlich von Trekking keine Ahnung. Aber ich habe gesagt, du bist Offizier, du kannst das sicher gut organisieren. Wir haben viel voneinander gelernt und die Qualität und Sicherheit verbessert. Denn die ersten Jahre waren furchtbar.

 

Wandern ist heute wieder ein Trend. Auch viele junge Leute, die bisher keine Lust darauf hatten, sind wieder in den Bergen unterwegs. Freut Sie das oder nervt es Sie, dass in den Bergen manchmal einfach zu viel los ist?

Sturm: Ich sehe es positiv, dass die Leute wieder raus in die Natur gehen. Man muss sich halt, wenn man ein leidenschaftlicher Wanderer oder Spaziergänger ist, antizyklisch verhalten und nicht am Wochenende losgehen. Oder beispielsweise im Voralpenland unterwegs sein. Das ist wunderbar für Wanderungen und da ist kein Mensch unterwegs.

 

Das Gespräch führte Gerhard von Kapff.