Augsburg
Gemeinsames Mahl auf dem Rathausplatz

Augsburger feiern ihr Hohes Friedensfest Friedenspreis für Kirchenmann Martin Junge

08.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:40 Uhr

Höhepunkt des Festes ist die Friedenstafel: Menschen aller Religionen kommen auf dem Rathausplatz in Augsburg zusammen, um miteinander zu essen. - Foto: Libossek

Augsburg (DK) Ein junger Mann in Lederhose und mit Haardutt erhebt sich, nimmt eine voluminöse Schüssel mit Nudelsalat vom Tisch und stellt diese am Nachbartisch ab. An diesem sitzt eine Frau, die Kopftuch trägt, zusammen mit ihren Kindern. Die Familie greift zu. Szenen wie diese sind bei der Friedenstafel in Augsburg zuhauf zu beobachten. Rund 1000 Menschen sitzen im Schatten der weißen Sonnenschirme auf dem Rathausplatz. Die Friedenstafel ist der Höhepunkt des Hohen Friedensfestes.

Da sitzen Mitwirkende des Historischen Bürgerfests, Senioren, die eigene kleine Schirme halten, oder jugendliche Hipster, die etwas abseits ihre Decken ausgebreitet haben. Sie alle haben allerlei Speisen und Getränke mitgebracht, teilen oder tauschen sie mit anderen. Der Gedanke des Religionsfriedens, an den Augsburg jeweils am 8. August mit seinem weltweit einzigartigen Feiertag erinnert - er wird auch beim gemeinsamen Essen umgesetzt.

Weiter oben, im Goldenen Saal des Rathauses, wird derweil ein Mann ausgezeichnet. Passend zum Jahr des Reformationsjubiläums wird Martin Junge (kleines Foto), Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, als insgesamt zwölfter Augsburger Friedenspreisträger bekannt gegeben. Den Preis vergibt die Stadt alle drei Jahre.

Als Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) den Namen verkündet, unterbrechen nicht wenige im aufgeheizten Saal für einen Augenblick das Fächern mit den Einladungskarten. Nicht etwa, weil Gribl Junge als "Preisträger 2015" ausgerufen hatte; sie blicken fragend die Umsitzenden an, ob die denn schon einmal etwas gehört hätten von diesem Martin Junge.

Aufklärung liefert Regionalbischof und Jury-Vorsitzender Michael Grabow. Junge, als Sohn einer Österreicherin und eines Chilenen in Chile aufgewachsen, wurde nach dem Studium in Göttingen zunächst Pfarrer in Santiago de Chile. Schnell stieg er im Lutherischen Weltbund auf. Zehn Jahre lang hatte er das Amt des Gebietsreferenten für Lateinamerika und die Karibik inne, seit 2010 ist er Generalsekretär des 74 Millionen Mitglieder zählenden Weltbundes.

Grabow würdigt den 56-Jährigen als "besonderen Brückenbauer". Das trifft in mehrerlei Hinsicht zu. Einerseits vermittelt Junge zwischen den 145 lutherischen Kirchen, die im Weltbund organisiert sind. Zuletzt etwa polarisierte zwischen den kulturell unterschiedlich geprägten Glaubensgemeinschaften die Frage, wie man mit Homosexualität oder der Gleichberechtigung von Frauen in kirchlichen Ämtern umgehen solle. Junge vermittelte, setzte sich aber gleichsam ein für Homosexuelle und Gendergleichheit. Auch initiierte er die Versöhnung zwischen Mennoniten und Lutheranern - zwei Kirchen der Reformation, die die Taufe theologisch unterschiedlich bewerten.

Außerdem steht Martin Junge im Austausch mit anderen Religionen. So nahm am lutherischen Gedenken an das Reformationsjubiläum Papst Franziskus teil. "Ein Meilenstein", befindet Grabow. Er attestiert Junge eine Arbeit, "die weit über das Normale seines Berufs hinausgeht". Ehrgeiz, Leidenschaft, Überzeugungskraft zeichneten den Generalsekretär aus. Und, dass er die Kirche nicht allein in gottesdienstlicher, sondern auch in weltdienstlicher Verantwortung sieht. Klimawandel, Flüchtlingsströme, Fragmentierung und Populismus: "Es ist Zeit für die Kirchen, aufzustehen und eine klare Position einzunehmen", zitiert Grabow den Preisträger.

Der äußert sich selbst nur via Videobotschaft, die über zwei Flachbildschirme flimmert. Geehrt und dankbar fühle er sich. "Der Preis ermutigt uns im Lutherischen Weltbund und mich persönlich, den Weg der Versöhnung fortzusetzen." Übergeben wird der Preis am 21. Oktober. Dann allerdings ohne gemeinsame Tafel vor dem Rathaus. ‹ŒFoto: Stadt Augsburg