Ingolstadt
Gemeinsam gegen den Terror

Daniel und Emmanuel Leconte stellten in Ingolstadt ihren Film "Je suis Charlie" vor

10.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:20 Uhr

Foto: DK

Ingolstadt (DK) „Warten und Schweigen erzeugen schlimmere Folgen als sofort ,Stop‘ zu sagen!“ – so klar formulierten die französischen Filmemacher Daniel und Emmanuel Leconte gestern im Union-Kino Ingolstadt im Gespräch mit dem Publikum, was ihr Film „Je suis Charlie“ bewirken soll.

Die Dokumentation, am Donnerstag in den bundesdeutschen Kinos angelaufen, zeichnet in Originalszenen und mit Interviews nach, was in den Redaktionsräumen der Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ am 7. Januar 2015 geschah, als zwei islamistische Terroristen dort ein Blutbad anrichteten, später in einem jüdischen Supermarkt Geiseln nahmen, wie in den folgenden Tagen Millionen Franzosen auf die Straße gingen, Stifte hochstreckten und „Je suis Charlie, je suis Juif, je suis Flic“ („Ich bin Charlie, ich bin Jude, ich bin Polizist“) riefen. Die Überlebenden der Redaktion wie die Zeichnerin Corinne „Coco“ Rey, erzählen in der Dokumentation, teils unter Tränen, was sie erlebten.

Mehr noch: Daniel Leconte wollte mit dem im vergangenen Herbst entstandenen 90-minütigen Film ein persönliches Porträt der Karikaturisten zeichnen und die Geschichte der Redaktion erzählen. Leconte hatte bereits im Jahr 2008 einen Film über „Cabu“ (Jean Cabut), „Charb“ (Stéphane Charbonnier), „Tignous“ (Bernard Verlhac) und Philippe Honoré gedreht, der in Ausschnitten in den neuen einfließt. Anlass damals war ein Prozess, mit dem der Redaktion verboten werden sollte, sich mit Mohammed-Karikaturen kritisch über den Islam zu äußern. Die französische Justiz schmetterte die Klage ab, ein Sieg der Presse- und Meinungsfreiheit, „Charlie Hebdo“ konnte und wollte mit bissigem Humor weiter gegen Fundamentalisten anschreiben und -zeichnen. Dabei hatten sich die Macher des Satire-Magazins nie als führende Kämpfer für Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit oder gar als Religions- und im Besonderen Islamkritiker gesehen. „Sie wollten die Menschen zum Lachen bringen und zum Nachdenken. Sie haben sich mit vielen sozialen Themen, mit Arbeitslosigkeit, mit dem Wirtschaftssystem beschäftigt. Nur etwa fünf Prozent ihrer Zeichnungen galten den Religionen“, sagt Daniel Leconte. So ist die Redaktion in Rückblicken privat zu sehen, singend, selbst darüber diskutierend, wie weit Satire gehen darf, auch überrascht über die Wirkung ihrer Zeichnungen.

Mit den Ereignissen des 7. Januar sei Frankreich das erste Mal wach geworden, so die Lecontes. Dann hätte man wieder weitergelebt in dem Bewusstsein, dass es die Macher von „Charlie Hebdo“ auch so gewollt hätten. Nach den Ereignissen im November mit mehr als 100 Toten sei aber endgültig klar geworden, dass „Charlie Hebdo“ nur der Anfang gewesen, dass alle, der westliche Lebensstil und seine Werte gemeint seien, dass es weitergehen werde, wenn man nicht zusammenstehe. Und so mahnten Vater und Sohn Leconte, bevor sie gestern von Ingolstadt aus zurück nach Paris fuhren, eindringlich: „Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Werte vernichtet werden, indem wir schweigen.“

 

„Je suis Charlie“ läuft weiter im Rahmen der 2. Französischen Filmwoche im Ingolstädter Union. Auch für Schulklassen und Gruppen zu eigens vereinbarten Zeiten.