Eichstätt
Gemeinsam für das Kindeswohl

Kliniken und Jugendämter kooperieren: „Wie gehen wir mit ärztlicher Schweigepflicht um?“

17.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:29 Uhr
Chefarzt Dr. Florian Wild von den Neuburger St. Elisabeth-Kliniken bei einer Fortbildungsveranstaltung für Ärzte und Pflegepersonal der Notaufnahme in den Kliniken im Naturpark Altmühltal. −Foto: Müller/Klinik

Eichstätt (EK) Die Kliniken und die Jugendämter in der Region 10 planen den Schulterschluss im Kampf gegen Kindeswohlgefährdung. Am Ende soll eine Kooperationsvereinbarung stehen – unter Einhaltung aller Richtlinien des Patientenschutzes. Aktuell laufen bereits Schulungen des Notaufnahmepersonals.

Ein kleiner Bub kommt in die Notaufnahme, hat deutlich erkennbare Blutergüsse, die Eltern erzählen etwas vom Anstoßen am Kleiderschrank, vom selbstverschuldeten Sturz gegen die Tür... Und der Arzt steht da, weiß, dass dieses Hämatom eindeutig eine Misshandlungsfolge ist. Darf er die Polizei holen? Darf er das Jugendamt einschalten? Der Chefarzt des Orthopädisch-Traumatologischen Zentrums an der Klinik Eichstätt, Dr. Gregor Voggenreiter, spricht das aus, was bei all seinen Kollegen und auch dem Pflegepersonal bei solchen Überlegungen immer wieder mitschwingt. Was tun? „Wie gehen wir mit der ärztlichen Schweigepflicht um? Wir sind nicht die Polizei.“ Der Eichstätter Jugendamtsleiter Siegmund Hammel weiß um diese Fragen: „Es herrscht Unsicherheit ob der eigenen Handlungsmöglichkeiten und auch derer des Jugendamtes.“

Letztlich ist es das Personal der Notaufnahmen, die als erste mit entsprechenden Verdachtsmomenten in Berührung kommen. Selbst wenn ein Arzt dort einen Misshandlungsfall erkennen sollte – man will das „hohe Gut der Schweigepflicht“ nicht willkürlich verletzen, wie es Chefarzt Voggenreiter sagt. „Wir wollen das Personal in der Notaufnahme sensibilisieren“, ergänzt ein Oberarzt der Neuburger Kinderklinik, Dr. Florian Wild. Und ihnen dabei mit auf den Weg geben: Ja, das Recht, das Jugendamt einzuschalten, ist da. Mit Einwilligung der Eltern jederzeit, wie Hammel auch gegenüber unserer Zeitung erläutert. Das ist aber auch ohne Einwilligung der Betroffenen möglich – gemäß Artikel 14 des bayerischen Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes. Diese Pflicht, bei „gewichtigen Anhaltspunkten für eine Misshandlung“ Meldung zu machen, gibt es nicht in allen Bundesländern. Wenn sich Ärzte oder Pflegepersonal immer noch unsicher sind: „Es gibt jederzeit die Möglichkeit, sich bei uns zu einem Fall anonym beraten zu lassen“, erklärt Hammel.