Nürnberg
Geldautomaten gesprengt, 400 000 Euro erbeutet: Prozess

27.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:17 Uhr
Der Eingangsbereich zum Strafjustizzentrum Nürnberg. −Foto: Daniel Karmann/dpa/Archivbild

Eine ganze Szene von Geldautomaten-Sprengern ist seit Jahren in Deutschland aktiv. Sie erbeuten hohe Geldbeträge und richten riesigen Schaden an. Drei Bandenmitglieder stehen seit Mittwoch in Nürnberg vor Gericht.

Sie fahren mit schnellen Autos vor die Bank, sprengen die Geldautomaten - und rasen dann mit Vollgas im Leihwagen zurück nach Holland. Eine ganze Szene von Automaten-Knackern treibt in Deutschland seit Jahren ihr Unwesen. Drei Bandenmitglieder stehen nun seit Mittwoch in Nürnberg vor Gericht. Die Männer aus den Niederlanden sollen in Bamberg, Fürth, Bad Kreuznach und Göttingen mit Hilfe von Sprenggas Geldautomaten in den Vorräumen von Banken in die Luft gejagt und insgesamt mehr als 400 000 Euro erbeutet haben.

Nach einer wilden Verfolgungsjagd mit der Polizei über Hunderte Kilometer von Franken bis ins Rheinland wurden sie schließlich gefasst. Sie sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. An den Sprengungen zwischen August 2018 und Mai 2019 sollen mindestens zwei weitere Mittäter beteiligt gewesen. Die Anklage lautet unter anderem auf schweren Bandendiebstahl.

Das Muster der Taten ist immer gleich. Die Szenerie wird von einem Vorauskommando ausgekundschaftet. Wenig später fährt ein Täterduo vor, hebelt den Geldautomaten mit einem Brecheisen aus der Verankerung. Dann leiten die Täter ein Acetylen-Sauerstoffgemisch ins Innere des im Automaten befindlichen Geldtresors und zünden das Gas - der Weg zum Geld ist frei. Meist sind es um die 100 000 Euro, die die Täter bei jedem ihrer nächtlichen Raubzüge vorfinden. Mit den Scheinen geht es dann mit Vollgas und teils rücksichtsloser Fahrweise zurück in die Niederlande, wo die Beute aufgeteilt wird.

Einer der drei Männer räumte zu Prozessbeginn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weitgehend ein - er hatte einen Leihwagen angemietet und dafür von seinen Kumpanen 2000 Euro erhalten. Der Hilfsdienst sei „der größte Fehler meines Lebens“ gewesen, wie der Mann einräumte. Er sitze nun auf einem Schuldenberg, weil er gegenüber dem Autoverleih für das zu Schrott gefahrene Auto aufkommen muss.

Der mutmaßliche Haupttäter äußerte sich nicht. Der dritte Angeklagte blieb selbst ebenfalls stumm, ließ aber seine Sicht der Dinge von seinem Anwalt verlesen. Auch er zeigte sich weitgehend geständig. Für den Prozess am Landgericht Nürnberg-Fürth sind insgesamt sieben Verhandlungstage vorgesehen. Ein Urteil wird Anfang Juli erwartet.

Die Automaten-Knacker-Szene ist während der Corona-Krise in Deutschland verstärkt aktiv geworden. Im an die Niederlande grenzenden Nordrhein-Westfalen, wo beim Landeskriminalamt eine Sonderkommission im Kampf gegen die Kriminellen gegründet wurde, hat sich die Zahl Anfang 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt - allein in NRW wurden 72 Fälle gezählt.

Die Ermittler der LKA-Sonderkommission „Heat“ gehen davon aus, dass viele der Explosionen auf das Konto einer Täterszene geht, die in den Vororten von Utrecht und Amsterdam in den Niederlanden lebt. Die niederländischen Geldautomaten seien inzwischen so gut gesichert, dass es dort kaum noch derartige Taten gebe.

Auch in Niedersachsen wird eine neue Serie beobachtet. Seit Jahresbeginn hat es dort mindestens 19 Geldautomaten-Sprengungen gegeben. Nur in sechs Fällen erbeuteten die Täter allerdings auch Geld. Viele Banken auch in Deutschland sind inzwischen besser vorbereitet - und machen den Tätern mit Nebelwerfern und Farbmarkierungen auf den Geldscheinen das Leben schwerer.

dpa