"Geld ist genug da in Deutschland"

09.08.2009 | Stand 03.12.2020, 4:45 Uhr

Sozialpolitischer Lobbyismus ist wichtig, sagt VdK-Bezirksvorsitzender Otto Heiß, der Initiatior der Diskussionsveranstaltung.

Hilpoltstein/Allersberg (HK) Die Finanzkrise darf nicht zu Sozialabbau führen. Auf den Prüfstand dieser Forderung hat VdK-Präsidentin Ulrike Mascher fünf Bundestagskandidaten aus der Region bei einer vom Hilpoltsteiner Kurier moderierten Podiumsdiskussion in Allersberg gestellt.

Rentner, Arbeitnehmer, Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftige hätten auch nicht von den gigantischen Gewinnen der Finanzjongleure profitiert, sagte Mascher. Geschweige denn hätten sie die Krise verursacht. "Deshalb dürfen sie auch jetzt nicht deren Opfer werden." Den Fragen von VdK und HK-Redaktionsleiter Rainer Messingschlager stellten sich die Bundestagskandidaten Marlene Mortler (CSU), Martin Burkert (SPD), Marina Schuster (FDP), Birgit Raab (Grüne) und Gudrun Schlett (Linke).

Der VdK fordere, so Mascher, einen Schutzschirm für Rentner. Denn diese habe man zudem schon in der Vergangenheit stärker als andere zur Kasse gebeten. Nullrunden und Minierhöhungen hätten seit 2004 zu einem Kaufkraftverlust um 8,5 Prozent geführt. Um dem entgegenzusteuern, brauche es die Rückkehr zur Rente nach Mindesteinkommen, höhere Rentenbeiträge für Hartz-IV-Bezieher und eine Rücknahme der Rente mit 67.

Die Politik wolle die Rentner sicher nicht ärgern, sagte Mortler auf die Frage, ob diese Instrumente denn unvermeidbar seien. Aber in der Realität gebe es immer mehr Leistungsempfänger und immer weniger Beitragszahler. Trotz dieser Erkenntnisse habe man mit der Rentenklausel eine gute Perspektive gegeben. Dass es eine drohende Altersarmut gebe, möchte sie aber nicht von der Hand weisen.

Er könne alle Forderungen des VdK unterstreichen, sagte Burkert. Die nächste Bundesregierung werde sich mit der Zukunft der Rente beschäftigen müssen. Das werde auch über eine Mehrung des Steueranteils gehen. Wer heute in Ausbildung sei, muss 34 Jahre arbeiten bei 2300 Euro netto, um überhaupt Grundsicherungsniveau zu erreichen. Da müsse etwas gemacht werden. Er habe beispielsweise auch die Rente mit 67 abgelehnt. "Ich bin einer der elf."

Eine Garantierente statt einer Rentengarantie ist für Birgit Raab eine probates Zukunftsmodell. "Man muss von der Rente im Alter leben können." Es müsse einen Grundsockelbetrag geben, "dass man nicht betteln muss". Grundlegenden Wechsel in der Rentenpolitik will die Linke, so Schlett. Das fange schon dort an, wo Kinder in armen Familien aufwachsen. Es brauche eine Stärkung des öffentlichen Solidarsystems und keine Privatisierung von Lebensrisiken. "Riester löst die Probleme nicht." Das schätzt Marina Schuster von der FDP anders ein. Aber es müsse sich lohnen. "Der Staat darf davon nichts mehr wegnehmen."

Hart ins Gericht ging Mascher auch mit dem Gesundheitsfonds. Höhere Beiträge, Zusatzbeiträge und Leistungseinschränkungen seien die Folgen. Noch weniger Gefallen findet sie an Kopfprämienmodelle. "Das ist eine Umverteilung von unten nach oben." Allen Privatisierungsgelüsten der FDP erteile man eh eine klare Absage. Schlicht als "Murks" stellte Birgit Raab den Fonds hin. Eine Aussage, die so recht keiner entkräften konnte. Auch SPD und CSU, die ihn ausgearbeitet haben, fehlt die Freude daran: "Das war der schwierigste Kompromiss mit den meisten Verwerfungen", sagte Burkert, der für die Bürgerversicherung eintritt. Und Marlene Mortler erklärte, sie habe mit Bauchschmerzen zugestimmt. Aber Bürgerversicherung? "Der fehlen die Bürger, der Kopfpauschale die Köpfe und dem steuerfinanzierten System fehlen die Steuerzahler." Birgit Raab möchteweitergehen und das gesamte Gesundheitssystem in Frage stellen. "Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um die Art und Weise der Medizin."

Zentrales Thema beim VdK ist auch die wachsende Armut. 3 Millionen Rentner und 2,5 Millionen Kinder sind laut Mascher von Armut bedroht. "Ein Armutszeugnis für ein reiches Land", sagte die VdK Präsidentin. Man müsse umsteuern, so Gudrun Schlett, so müssten Hartz IV und Ein-Euro-Jobs weg zugunsten von Jobs mit ausreichendem Einkommen. "Geld ist genug da in Deutschland." Marina Schuster will auch an die Ausgabenseite des Staats ran und niedrige Einkommen noch stärker entlasten. Nahe beim Thema Armut steht auch der Mindestlohn, den die CSU nicht in allen Branchen haben will. "Wir bevorzugen ein Mindesteinkommen", erklärte Mortler. Klare Gegenposition zur SPD: "Wir brauchen ihn", so Burkert.

Als weitere Einnahmequellen für den Staat sieht Mascher die rigorose Bekämpfung der Steuerhinterziehung. In diesem Zusammenhang fragte sie auch, ob die Personalkapazitäten, die man jetzt einsetze, um Rentner aufspüren, die 200 oder 300 Euro aus Unkenntnis nicht entrichtet haben, richtig eingesetzt seien. Weitere Finanzquellen seinen Börsenumsatzsteuer, Vermögenssteuer für Einkommensmillionäre und ein höherer Steuersatz für Spitzenverdiener.

20 Millionen Rentner, 8 Millionen Menschen mit Behinderung, 7 Millionen, die auf Hartz IV angewiesen sind und 2,3 Millionen Pflegebedürftige vertritt der VdK – rund die Hälfte der Bevölkerung. Dass der VdK wichtig genommen wird, zeigt auch die Tatasache, dass alle fünf im Bundestag vertretenen Parteien Kandidaten zur Allersberger Diskussion schickten. Wie wichtig der sozialpolitische Lobbyismus sei, führte denn auch der Bezirksvorsitzende des VdK, Otto Heiß, vor Augen. Die Rentenklausel habe die Bundesregierung auch Dank des beherzten Vorgehens von Ulrike Mascher auf den Weg gebracht, so Heiß.