Kommentar
Gegen die Fliehkräfte

Ein Kommentar zum Thema Wehrpflicht

05.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:19 Uhr

Vor rund sieben Jahren wurde in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt. Nun endlich entsteht langsam so etwas wie eine Diskussion darüber, ob dieser Schritt damals nicht ein übereilter oder einer in die falsche Richtung war.

Dabei hätte man schon 2011 sehen können, dass diese vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg inszenierte Groß-Reform nur ein übereilter Schnellschuss für die Galerie war. Nachdem die Show vorbei gewesen ist, offenbart sich nun, wie kopf- und konzeptlos dieser Paradigmenwechsel vollzogen wurde.

So wurde die Wehrpflicht ja nicht abgeschafft, sondern ausgesetzt und soll nun im "Spannungs- oder Verteidigungsfall" wieder greifen. Was in einem solchen Fall allerdings mit einem Heer von ahnungs- und ausrüstungslosen Soldaten geschehen soll, wird hoffentlich für immer das Geheimnis der Sachverständigen bleiben, die dieses Gesetz damals ausgetüftelt haben. Auch fehlte damals schon und fehlt wohl immer noch ein Konzept, wie die Bundeswehr in eine schlagkräftige Berufsarmee umgewandelt werden soll. Trotz einer extrem geschrumpften Mannstärke reißen die Hiobsbotschaften über eklatanten Ausrüstungsmangel und erhebliche Schwächen in der inneren Führung nicht ab. Gegen alle diese Probleme wäre eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sicherlich keine Abhilfe. Doch könnte diese ins Spiel gebrachte neue Art einer Dienstpflicht für alle jungen Erwachsenen zumindest dazu führen, dass ein Aufbruchsgeist bei der Truppe einkehrt und endlich die nötigen Mittel für Investitionen im Verteidigungsbereich fließen. Und doch sind diese möglichen Auswirkungen nur ein Nebeneffekt. Und auch die positiven Auswirkungen, die so eine Dienstpflicht auf den chronisch darbenden sozialen Bereich haben könnten, sind noch nicht das stärkste Argument, das für ihre Einführung spricht.

Der wichtigste Grund, der dafür spricht, ist die Möglichkeit, durch einen solchen Dienst die gesellschaftlichen Fliehkräfte ein wenig einzuhegen. In einer Zeit, in der sich spätestens nach der Grundschule bereits die vielen Milieus trennen, wäre es von Vorteil, wenn zumindest ein paar Wochen lang etwa ein türkischstämmiger Mechaniker aus Hamburg, ein Arztsohn aus Tübingen, ein Banklehrling mit französischer Mutter aus einem saarländischen Dorf und ein junger Erwachsener aus Frankfurt an der Oder sich bei einer Grundausbildung im wehrtechnischen oder sozialen Bereich eine Stube teilen würden.
 

Markus Schwarz