Belfast
Gefürchteter Terrorist und geachteter Friedenskämpfer

Nordirland trauert um Martin McGuinness Die ehemalige IRA-Größe starb gestern im Alter von 66 Jahren nach schwerer Krankheit

21.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:27 Uhr

Belfast (DK) Einer der umstrittensten Politiker Großbritanniens und Europas ist tot. Martin McGuinness, der ehemalige Vize-Ministerpräsident Nordirlands und frühere Kommandant der Untergrundorganisation IRA, ist gestern im Alter von 66 Jahren gestorben.

McGuinness erlag einer seltenen Erbkrankheit, die seine inneren Organe angegriffen und sein Herz geschwächt hatte.

Doch die Krankheit hat ihn nicht abgehalten, weiter seine Meinung zu vertreten. Erst im Januar war er aus Protest gegen das Verhalten von Arlene Foster, der Ministerpräsidentin Nordirlands, von seinem Posten als ihr Stellvertreter zurückgetreten. Am darauffolgenden Wahlkampf nahm McGuinness aus Gesundheitsgründen nicht mehr teil. Sein Tod wurde mit Bestürzung aufgenommen.

McGuinness vereinte zwei Extreme: Er war Terrorist und Friedensstifter in einer Person. Der gelernte Metzger trat der IRA im Alter von 20 Jahren bei und stieg schnell auf. In seiner Heimatstadt Derry war McGuinness die Nummer zwei, als es zum sogenannten Blutsonntag kam. Am 30. Januar 1972 eröffneten britische Truppen das Feuer auf Zivilisten und richteten ein Massaker an. Es war der Beginn des Bürgerkriegs in Nordirland. Hunderte von jungen Katholiken entschieden noch in der Nacht, dass ziviler Widerstand zwecklos sei, und schlossen sich dem bewaffneten Kampf an. Die bis dahin recht harmlose IRA, nicht viel mehr als ein radikaler Altmännerverein, entwickelte sich zu einer der gefährlichsten Terrororganisationen der Welt. Und Martin McGuinness wurde bald zum schlagkräftigsten Führer.

In den 80er-Jahren wandte er sich der Politik zu. Er profilierte sich bald als eine führende Figur innerhalb der Sinn-Fein-Partei, dem politischen Flügel der IRA. An der Seite von Sinn-Fein-Präsident Gerry Adams begann er in den 90er-Jahren den nordirischen Friedensprozess, der 1998 mit dem Abschluss des Karfreitagsabkommens dem Krieg ein Ende setzte. McGuinness hatte eine zentrale Rolle dabei gespielt, die Mitglieder der IRA zu überzeugen, dass der bewaffnete Kampf vorbei sei und das Ziel des Endes der britischen Herrschaft und eines vereinten Irlands am besten mit politischen Mitteln zu erreichen wäre.

Der Mann, der einst als Großbritanniens "Terrorist Nummer eins" galt, wurde am 8. Mai 2007 zum stellvertretenden Ministerpräsidenten von Nordirland. Er teilte sich die Macht zusammen mit Ian Paisley, dem Chef der britisch-treuen DUP. Es war ein ungleiches Paar: hier der protestantische Scharfmacher, dort der ehemalige IRA-Stabschef. Doch die beiden verstanden sich so gut, dass sie den Spitznamen "die Kicherbrüder" bekamen, weil sie so gerne öffentlich zusammen lachten.

Als Martin McGuinness vor fünf Jahren bei einem umjubelten Besuch der Queen in Nordirland ihre Hand schüttelte, war der Symbolgehalt der Szene nicht zu unterschätzen. Der Händedruck bedeutete vor allem: Der Friedensprozess im Land ist unumkehrbar.