Die
Gefühle im Chaos

Alexa Hennig von Lange erzählt von Glück und Katastrophen im Leben

29.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:58 Uhr

Die Welt ist kein Ozean. Von Alexa Hennig von Lange, cbt-Verlag, 352 Seiten, ab 14 Jahren, 14,99 Euro.

„Warum ausgerechnet in einer Klinik für psychisch angeschlagene Jugendliche und nicht in einem der Fernsehstudios in Babelsberg“ Nelli kann nicht verstehen, warum sich ihre Freundin Franzi für ihr Schulpraktikum eine solche Klinik ausgesucht hat. Die siebzehnjährige Nelli wird ihr Praktikum im Anwaltsbüro von Franzis Vater absolvieren. Franzi dagegen sieht ihre Chance, Kindern und Jugendlichen zu begegnen, mit denen es das Leben nicht so gut meint wie mit ihr.

Da ist vor allem Tucker, der nach dem Tod seiner kleinen Schwester mit niemandem mehr spricht, im Schwimmbad der Klinik einsam seine Bahnen zieht. In 27 Kapiteln entwickelt Alexa Hennig von Lange die Geschichte, die glücklich endet, obwohl alle Vorzeichen dagegen sprechen: Tucker leidet an totalem Mutismus, einer durch Schock entstandenen Blockade zu kommunizieren. Die 16-jährige Franzi und der 18-Jährige entwickeln Gefühle füreinander – zart, zögerlich und mit einigen Rückschlägen –, sodass am Ende Tucker sich öffnet und zu sprechen beginnt.

Doch bis dahin sind Umwege nötig, in denen Hennig von Lange auch Familiengeschichten erzählt, wie es sie überall gibt. Eltern trennen sich, lösen damit Wut, Enttäuschung und Unsicherheit bei ihren Kindern aus. Nellis Vater beispielsweise ist mit seiner jüngeren Freundin zusammengezogen, die ein Kind von ihm erwartet. Franzi und ihre Schwester Sina dagegen haben aus Nellis Sicht das große Los gezogen, denn sie leben behütet – der Vater ist erfolgreicher Anwalt, die Mutter geht ganz in ihrer Hausfrauen- und Mutterrolle auf. Weshalb sich Franzi täglich neu gegen Bemutterung wehrt: mit unaufgeräumtem Zimmer, einem legeren Kleiderstil, doch stets sehr liebevoll und mit Verständnis für die Situation ihrer Mutter.

Das ist auch der einzige Makel des Buches: Franzi, die Ich-Erzählerin, kommt ab und an zu altklug und abgeklärt daher und kommentiert selbst schwierigste Situationen sehr klar.

Dennoch: Es ist ein breiter und darum realistischer Ausschnitt des Lebens mit Höhen und Tiefen, den Hennig von Lange auffächert. Auch im richtigen Leben liegt vieles dicht nebeneinander: Liebe und Erfolg – Franzi bekommt dank ihres fantastischen Klaviervorspiels das ersehnte Stipendium für Australien. Trauer und schwere Schicksale – in der Klinik hungert sich ein Mädchen sogar zu Tode.