Zu einem geplanten Fraunhofer-Institu in Ingolstadt (DK vom 7. Mai):
Quo vadis, Ingolstadt? Die Zukunft Ingolstadts erinnert stark an die Geschichte des kalifornischen Silicon Valley. Während wissenschaftlich die "Industrie 3.0" eingeläutet wurde, versank das "Silicium-Tal" im immensen Individualverkehr: Die Stadt Ingolstadt wird als "Digital-Stadt" gewiss einige Arbeitsplätze schaffen! Zu Beginn wird davon sicher aber nicht die Ingolstädter Bevölkerung profitieren: Spitzenkräfte auf dem Gebiet der digitalen "Industrie 4.0" werden nach Ingolstadt gelockt, um im besten Falle nationale sowie internationale Aufmerksamkeit zu erzeugen, das dem Renommee der Professoren und Stadtväter zugute kommt. Dabei handelt es sich zunächst angeblich um eine Handvoll Fraunhofer-Mitarbeiter, die als Marketing-Gag die Donaustadt beehren. Auch die Wohnungsknappheit wird durch die einseitige Förderung eines mehr als unerforschten Wirtschaftszweiges weiter angekurbelt. Denn WLAN ersetzt selbst Studenten und Wissenschaftlern kein zu Hause.
Anstatt den öffentlichen Nahverkehr, die Lebensader einer jeden Stadt, endlich zu verbessern, scheint die Stadtspitze dem Mobilitäts-Schicksal des "Silicon Valley" nachzueifern. Nach traditionellem Trend wird die digitale "Industrie 4.0" in spätestens 100 Jahren vom nächsten Wissenschaftszeitalter abgelöst, das schlagartig Arbeitslosigkeit im Sektor des zurückliegenden Zeitalters mit sich bringt.
Es ist aus städtischer Sicht mehr als unverantwortlich, in diesem Wettbewerb mitzuspielen. Ingolstadt hat es verdient, eine Stadt der Bürger zu sein, nicht der Unternehmer. Nur wenn sich die Stadt seiner Aufgaben und Ziele bewusst ist, sich eine "Modellstadt für nachhaltige urbane Infrastruktur" nennen kann, wird Ingolstadt ihrer Rolle als "Bürgerkonzern" gerecht und ist zu Recht das Zentrum Bayerns. Nur eine Stadt der Bürger wird ohne das gezielte Eingreifen in die wirtschaftlichen Kreisläufe automatisch Unternehmen anlocken. Deutschland ist das Land der Dichter und Denker, Ingolstadt die Stadt der dichten Straßen und der "künstlichen Intelligenz". Bitte, sei die Stadt der Ingolstädter, Ingolstadt!
Quirin Witty, Ingolstadt
