Geduldsspiel Bahnfahren

31.03.2008 | Stand 03.12.2020, 6:01 Uhr

Die Arbeiten an Gleis 4 am Hauptbahnhof sind in vollem Gange. Weil der Abstand zwischen Bahnsteig und Gleis nicht mehr den Vorschriften entspricht, muss – neben der Erneuerung der Schiene – der Bahnsteig rund zwei Zentimeter schmaler werden. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Geduld brauchen dieser Tage die Berufspendler und Schüler. Weil nach 30 Jahren das Gleis 4 am Hauptbahnhof erneuert wird, müssen alle, die mit der Bahn Richtung Augsburg oder Ingolstadt unterwegs sind, auf Busse umsteigen. Für die meisten heißt es deshalb: Früher aufstehen.

"20 bis 30 Jahre, je nach Beanspruchung – das ist der normale Auswechselrhythmus für ein Gleis", sagt ein Bahnsprecher. Jetzt ist Gleis 4 am Ingolstädter Hauptbahnhof an der Reihe. In der Bahnhofshalle weist ein Schild auf die Arbeiten hin. Plakate wie dieses, in dem ein als Monteur verkleideter Maulwurf Gleisbauarbeiten ankündigt, kennen Berufspendler nur zu gut. Im vergangenen Jahr wurde im August Gleis 3 erneuert, und auch auf anderen Strecken – nicht zuletzt beim Bau der ICE-Trasse – mussten und müssen Pendler immer wieder auf den so genannten "Schienenersatzverkehr" ausweichen. Diesmal dauert der Spuk bis spätestens kommenden Sonntag, 4. April. Bis dahin ist die Paartalbahn nach Augsburg stellenweise gesperrt, auf der Donautalbahn, die Richtung Regensburg führt, müssen Bahnreisende bis einschließlich 6. April auf Busse umsteigen. Damit die Anschlusszüge erreicht werden können, fahren die Busse 30 Minuten früher ab als der normalerweise verkehrende Zug.

Auch auf der Strecke Ingolstadt-München kommt es ab heute bis Ende April zu Verspätungen bis zu einer Viertelstunde. Grund dafür sind Bauarbeiten im Bereich der Münchner S-Bahn zwischen Dachau und Petershausen.

Auf Gleis 4 hält in der Regel der Intercity nach Nürnberg. Gestern ist es anders: "Der Intercity-Express 985 Nürnberg-München, planmäßige Abfahrt 7.01 Uhr, fährt heute von Gleis 2 ab", tönt eine Stimme aus dem Lautsprecher. Pendler, die etwa nach Schrobenhausen wollen, haben Pech gehabt. Sie müssen auf den ungeliebten "Schienenersatzverkehr" zurückgreifen.

Wie Ronny Neubert aus Neustadt. Der 23-Jährige muss auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte gleich zweimal auf den Bus ausweichen. Er fährt mit dem Zug um 5.57 Uhr in Neustadt ab, ist um 6.11 in Vohburg, muss dort im Laufschritt zum Bus, der um 6.15 abfährt. Ankunft in Ingolstadt ist um 6.50 Uhr. Der Schienenersatzverkehr nach Augsburg startet um 7.12 Uhr. Um 7.47 Uhr ist Ronny Neubert planmäßig in Schrobenhausen. Sein Fazit: "Ich komme eine Stunde zu spät in die Arbeit."

Olaf Reiche (47) arbeitet in der gleichen Firma. "Das ist, wie immer, mangelhaft ausgeschildert", schimpft er. Zwar ist in der Bahnhofshalle ein zusätzlicher Mitarbeiter für Infos an Bahnreisende abgestellt, an der Bushaltestelle jedoch steht an diesem Morgen nicht mal ein Hinweisschild.

Zur Odyssee wird die Fahrt zur Arbeit auch für Bernadette Röhrl aus Abensberg. Die 18-Jährige muss nach Pfaffenhofen. Was der Schienenersatzverkehr für sie bedeutet? "Um 5 Uhr aufstehen." Drei Stunden ist sie unterwegs, eine Stunde länger als sonst.

Nurgül Kartal, 19, aus Eichstätt wartet in der Bahnhofshalle. Sie ist auf dem Weg zur Berufsschule nach Augsburg. "Das ist ganz schlimm", sagt sie, nach den Wartezeiten befragt. Wesentlich optimistischer erscheint Birgit Gerstel. Die Frau aus Neustadt fährt jeden Tag mit dem Zug nach München. Auch sie hat dieser Tage viele Unannehmlichkeiten. Sauer auf die Bahn ist sie nicht. "Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin und es ist eine Baustelle, gibt es ja auch Stau."