Eichstätt
Gastfreundschaft neu gedacht

Tagung "Flucht, Migration und Tourismus" beschäftigt sich mit dem Umgang mit Flüchtlingen

29.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:08 Uhr

Zur Eröffnung der Tagung „Flucht, Migration und Tourismus“ konnte Harald Pechlaner (rechts), Inhaber des Lehrstuhls Tourismus an der Universität Eichstätt, Bischof Gregor Maria Hanke, Universitätspräsidentin Gabriele Gien und Landrat Anton Knapp sowie als Referenten den ZEIT-Reporter und Autor Wolfgang Bauer (links) und Christian Kayed (3. von rechts), Philosoph und Touristenführer aus Innsbruck, begrüßen. - Fotos: ddk

Eichstätt (HK) „Brauchen wir eine neue Gastfreundschaftskultur“: So lautete der Titel einer vom Lehrstuhl Tourismus der Uni organisierten Tagung. Rund 100 Fachleute und Gäste beschäftigten sich mit dem Begriff Gastfreundschaft, der in Zeiten großer Flüchtlingsströme neue Dimensionen erhält.

Gastfreundschaft – dieses Wort lässt zunächst an die touristische Erfahrung authentischer und freundlicher Aufnahme denken. Doch reicht es heute aus, Gastfreundschaft auf Fremde zu beschränken, die als zahlende Gäste Leistungen in Anspruch nehmen? „Flucht und Tourismus haben eine gemeinsame Wurzel, auf die wir uns zurückbesinnen müssen”, betonte Harald Pechlaner, Inhaber des Lehrstuhls für Tourismus und Organisator der Tagung im Landratsamt. Im Zentrum stehe dabei das „Ankommen” von Menschen. Kommerzielle Gastfreundschaft werde immer als unecht empfunden, wenn sie nicht an Werte gebunden sei. Diese wiederum kämen auch im Umgang einer Gesellschaft mit Migranten und Flüchtlingen zum Ausdruck. Könne man ein Land, das sich gegenüber Asylsuchenden restriktiv oder gar abweisend verhält, als gastfreundlich gegenüber Touristen bezeichnen?

Bischof Gregor Maria Hanke verwies auf die vielfältigen Aktivitäten in seiner Diözese für Flüchtlinge. Er berief sich auf die Ordensregeln des heiligen Benedikt von Nursia, in der auch die Gastfreundschaft als Zeichen der Gemeinschaft und Demut gegenüber einem Gast besonders betont wird und die als Vorbild für die Auseinandersetzung mit einer neuen Gastfreundschaftskultur dienen könnten. Auch Universitäts-Präsidentin Gabriele Gien betonte die Notwendigkeit, Flüchtlinge nicht als „Last“ wahrzunehmen, sondern als wertvolle kulturelle Ressource.

Vor der Gefahr, die Flüchtlingsfrage nur aus ökonomischer Perspektive zu sehen, warnte Landrat Anton Knapp. Weniger die bezahlte, sondern vor allem die unbedingte Gastfreundschaft ohne direkte Gegenleistung sei sehr viel wert, wenn sie notleidenden Menschen zuteil wird.

Eine Annäherung an den Begriff Gastfreundschaft präsentierte Christian Kayed, Philosoph und Touristenführer aus Innsbruck, der sich schon lange mit der Frage nach der Beziehung zwischen Asyl und Gastfreundschaft beschäftigt. Verschiedene Kulturen, so die Beduinen in Wüstengebieten, böten hier eine Art „Stufenmodell“ von Gastfreundschaft, das sich sehr gut auf die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa übertragen ließe. So verfügten die Beduinen über eine ausgeprägte Willkommenskultur für jeden Fremden, der zunächst ein Gastschälchen mit Tee überreicht bekäme. Ein zweiter Tee werde dann zum Wohlfühlen im „Genussschälchen“ serviert, bevor ein dritter Tee in einem „Schwertschälchen“ als Symbol für den Schutz des Gastes durch die Gastgeber ausgeschenkt werde. Das vierte Schälchen allerdings – das „Unverschämtheitsschälchen“ – sollte nicht mehr getrunken werden; es symbolisiert die Überstrapazierung und damit auch eine gewisse Grenze von Gastfreundschaft. „Wir haben hier in Europa genügend ,Teeschälchen’ für alle Flüchtlinge“, betonte Kayed, „doch geht es auch um die gesellschaftliche Aufteilungsfrage und die Bedingungen, Regeln und Gesetze der Aufnahme.“

Aus theologischer Sicht bezeichnete der Eichstätter Theologe Lothar Wehr Gastfreundschaft als eine der zentralen Bestandteile der christlichen Botschaft. Mit Blick auf die gegenwärtigen Flüchtlingsbewegungen ergänzte er: „Christliche Nächstenliebe kann sich nicht auf kurzfristige, spontane Hilfe beschränken, sondern muss den Flüchtlingen dauerhaft beistehen und ihnen eine Zukunft eröffnen.” ZEIT-Autor Wolfgang Bauer berichtete von seiner Reise mit syrischen Flüchtlingen bei ihrer dramatischen Flucht über das Mittelmeer. Eine Bildausstellung mit Fotos von Stanislaw Krupar ergänzte seine bewegenden Erfahrungen als Inkognito-Reisender über das Mittelmeer.