München
Ganz weit oben

Vor 50 Jahren begannen in München die Bauarbeiten am Olympiaturm

23.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:46 Uhr

Turmherr: Seit 15 Jahren arbeitet Ulrich Bodammer als Betriebsleiter im Münchner Olympiaturm. - Fotos: Stäbler

München (DK) Mit Olympia hatte er ursprünglich nichts zu tun. Und viele Münchner hätten ihn eh lieber „Schuldenstangerl“ genannt. Dennoch ist der Olympiaturm heute ein Wahrzeichen der Stadt – und ein Touristenmagnet. Vor 50 Jahren begannen die Bauarbeiten.

Die Geschichte des Münchner Olympiaturms ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Denn eigentlich sollte er ja viel höher werden. Und viel billiger. Und von Olympia war noch gar keine Rede, als der Stadtrat 1964 den Bau eines Fernsehturms auf dem Oberwiesenfeld beschloss – dort, wo einst der erste Verkehrsflughafen der Stadt gelegen war.

Zwei Funktionen sollte der Bau erfüllen. Zum einen brauchte die Bundespost einen neuen, höheren Sendemast, um München und die Region mit Fernsehen und Ferngesprächen zu versorgen. Zum anderen wollte die Stadt einen Aussichtsturm als Touristenattraktion. Im Jahr 1965 erfolgte der Spatenstich, doch erst als München ein Jahr danach den Zuschlag für die Olympischen Spiele 1972 bekam, entstand die Idee, den Turm nachträglich ins Gesamtkonzept Olympiapark einzubetten.

Wenig später taufte die Stadt das Bauwerk auf den Namen Olympiaturm – obgleich bei einer Bürgerbefragung fast 10 000 weitere Vorschläge eingereicht wurden. Besonders viele Anhänger fand damals der Name „Schuldenstangerl“. Schließlich kletterten die Baukosten auf fast 23 Millionen D-Mark – mehr als doppelt so viel wie ursprünglich gedacht.

Auch bei der Höhe konnte die Stadt ihre anfänglichen Pläne nicht verwirklichen: Wegen der Nähe zum Flugbetrieb in Riem musste sich der Olympiaturm mit 290 statt 330 Metern begnügen. Immerhin: Das reichte erst mal zum Titel des höchsten Fernsehturms in Westdeutschland. Noch etwas höher war freilich der fast gleichzeitig eröffnete Prestigebau der DDR in Ost-Berlin, dessen 368 Meter bis heute deutscher Rekord sind. Der Münchner Olympiaturm ist derweil nicht mal mehr bayerische Spitze: Mit 291,28 Metern ist er 1,50 Meter kleiner als der Fernsehturm in Nürnberg.

Bis zur Spitze des höchsten Bauwerks in München dürfen jedoch nur die wenigsten klettern. Und für das letzte Stück bräuchte man ohnehin einen Strahlenschutzanzug, da von hier immer noch gesendet wird. Selbst Ulrich Bodammer ist nur ein einziges Mal ganz oben gewesen, als die Antennen abgeschaltet waren – dabei ist er gewissermaßen der Turmherr. Seit 15 Jahren arbeitet Bodammer als Betriebsleiter im Olympiaturm. Er kennt sich hier aus wie in seinem Wohnzimmer, das übrigens gleich ums Eck liegt: Mit Frau, Kind und zwei Hunden lebt der 55-Jährige in einem Nebengebäude am Fuße des Olympiaturms.

Die Frage, die er am häufigsten beantworten muss? „Fast alle wollen wissen, ob der Turm bei Sturm schwankt“, sagt Bodammer. „Doch das sind nur wenige Zentimeter, das merkt man kaum.“ An heißen Sommertagen jedoch krümme sich der Turm schon mal um bis zu 30 Zentimeter, sagt Bodammer. „Wenn sich morgens die eine Seite ausdehnt, weil die Sonne draufknallt, während die andere Seite noch im Schatten liegt.“ Umsturzgefahr herrsche dennoch keine: „Wegen seines niedrigen Schwerpunkts ist der Olympiaturm ein Stehaufmännchen.“ Dazu kommt das mächtige Betonfundament: „40 Meter breit, fünf Meter tief, 12,5 Tonnen schwer – und das bei einem Gesamtgewicht von 52 Tonnen“, rattert Bodammer die Zahlen herunter.

Sein Lieblingsort im Turm ist der Aufzugschacht. Von hier kann man fast bis zur Spitze emporsehen – und obendrein die beiden Fahrstühle beobachten, die nahezu im Minutentakt zur Aussichtsplattform auf 185 Metern hochbrausen. Rund 600 000 Besucher fahren jedes Jahr nach oben, was den Olympiaturm zu einer der beliebtesten Sehenswürdigkeiten in München macht.

Hier im Aufzugschacht hat der BR vor neun Jahren einen Tatort gedreht – „Außer Gefecht“. Darin bleiben Kommissar Leitmayr und ein Massenmörder auf 80 Metern Höhe im Lift stecken – eine Panne, die in der Realität kaum mal vorkomme, sagt Bodammer. Und im Notfall bringe man einfach beide Aufzüge auf die gleiche Höhe, sodass die Passagiere umsteigen können – „Rendezvous-System“ heißt das hier.

Noch romantischer geht es auf 181 Metern Höhe zu – im edlen Drehrestaurant 181, wo das Sunset-Menü inklusive Wein 73 Euro kostet. Verliebte, denen das zu teuer ist, fahren eine Etage höher und kritzeln ihre Namen samt Herzchen auf ein paar Quadratmeter weiße Wand. Auf diesem Gipfelbuch der etwas anderen Art können sich die Besucher des Olympiaturms verewigen – allerdings nicht für die Ewigkeit. Denn ist das „Buch“ einmal voll, wird frisch gestrichen.