München
Ganz schön bunt

"Geschmacksache": Eine Ausstellung des Münchner Stadtmuseums beleuchtet die Mode der 70er Jahre

24.01.2013 | Stand 03.12.2020, 0:34 Uhr

München (DK) Schrill und sexy, provokant und peinlich: Die Moder der 1970er Jahre war „Geschmacksache“ – und dies ist auch der Titel einer bunten Mode-Schau, die im Münchner Stadtmuseum rund 200 Modelle für Mann und Frau zeigt. Kuratorin Isabella Belting kennt den Stil aus ihrer eigenen Kinderzeit und bekennt: „Ich war ja kein Fan der 70er – aber jetzt bin ich es!“ Kein Wunder, denn der Farbenrausch der Kreationen ist überwältigend: Türkisblau und grelles Orange dominieren, in der Abendmode leuchten die aufgereihten Roben wie ein Regenbogen.

Eines der Prunkstücke in Flieder, Grün und Blau, besetzt mit Strasssteinchen, trug einst „Schätzchen“ Uschi Glas auf dem Münchner Filmball.

Gezeigt wird vor allem der gehobene Stil aus Rom, Paris und London, wie ihn die Titelseiten von „Madame“ zeigten und wie ihn dann Münchner Designer nachahmten. Rund 70 Prozent der Objekte sind Leihgaben aus privaten Kleiderschränken oder aus Beständen von Boutiquen, die den Retrolook heute verkaufen. Eine der legendären Adressen in Schwabing, „Lady Jane und Lord John“, hat gerade zum Jahreswechsel dicht gemacht – jetzt stehen die Plateau-Spangenpumps aus grün-gelb-orangem Schlangenleder in der Vitrine des „Münchner Raums“. Historische Fotografien, ausgestellte Kleidungsstücke und ein Film, in dem die Leihgeber aus ihren Erinnerungen erzählen, belegen, dass Schwabing einst ein heißes Pflaster war, wo barbusig und mit Minirock für die Freiheit der Lebensstile und gegen den Büstenhalter demonstriert wurde.

Weniger schrill, dafür aber mit politischem Anspruch, so kleideten sich die Intellektuellen: Studenten mit Palästinenser-Tuch, ihre Kommilitoninnen im indischen Blümchenkleid und mit Felljacke. Jeans mit Schlag, Schlapphüte, Lederjacken mit und ohne Nieten – die Lust an der Verkleidung war grenzenlos. Die Männerwelt entdeckte den Cordanzug mit weißem Rollkragen-Pullover und lockerte langweilig-dezente Wollstoffe mit möglichst breiten, wild gemusterten Krawatten auf. Alle Hosen saßen so knalleng, dass der Geldbeutel in einer Herrentasche mitgeführt werden musste.

Die Generation fünfzig plus wird angesichts der Exponate so manches Déjà-vu erleben und den eigenen Kleiderschrank von damals vor Augen sehen. Spannend ist, wie oft seither Stilelemente der Siebziger in der Mode wieder aufgenommen wurden. Kroko-Taschen und Hermes-Tücher sind in gewissen Kreisen nie aus der Mode gekommen. Allein die Kinderkleidung hat sich komplett gewandelt: Hosenanzüge aus Trevira, knallgrüne Kostümchen und gesmokte Oberteile würde heute kein Schulkind mehr anziehen. Wie kleine Erwachsene, die sich fein gemacht haben, wirken die Modepüppchen der Schau. Und in die Disco oder in die Klubs ist man damals in Jeans nicht eingelassen worden – vielmehr wurden hautenge Kleider aus glitzernden Stoffen getragen.

Den Parcours durch die Modewelt der Siebziger beendet ein Ruheraum mit Hörstation. Mit Blick auf ein Jugendzimmer, in dem die Wände mit Plakaten aus der „Bravo“ dekoriert sind, kann man den Hits von damals lauschen: „Satisfaction“ oder „Nights in White Satin“ entführen Besucher in ihre eigene Jugend – oder in die der Eltern und Großeltern, die glänzende Augen bekommen, wenn sie von den wilden Zeiten erzählen, damals, als die Mode noch den Duft von Freiheit verströmte.

Münchner Stadtmuseum, bis 15. September, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr.