"Fußball ohne Fans ist kein Fußball"

Anhänger des FC Ingolstadt sind uneins über Fortsetzung der 3. Liga

16.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:39 Uhr
Feiernde Fans im Audi-Sportpark wird es angesichts der Corona-Krise so schnell nicht mehr geben. −Foto: Bösl

Ingolstadt - Hinter dem Neustart der 3. Fußball-Liga steht weiter ein großes Fragezeichen. Auch nach der Konferenz von Bund und Ländern am Mittwochabend gab es noch kein grünes Licht für mögliche Geisterspiele. Dabei sind diese in der dritthöchsten Spielklasse Deutschland ohnehin äußerst umstritten - bei den Vereinen wie bei den Fans. Auch unter den Anhängern des FC Ingolstadt gehen die Meinungen zur Fortsetzung der Saison in der Corona-Krise auseinander.

 

"Ich bin klar gegen Geisterspiele", sagt etwa Michael Pluzny. "Denn Fußball ohne Fans in den Stadien ist kein Fußball", begründet der Vorsitzende des Fanklubs "Torkelschanzer" seine klare Haltung und ergänzt: "Die Spiele nur vor dem TV anzuschauen, ist für einen eingefleischten Fan keine Option. Da habe ich keinen Bock drauf. "

Weil der langjährige Anhänger der Schanzer aber eben auch zu jenen "eingefleischten Fans" zählt, spricht er sich gleichzeitig gegen einen vorzeitigen Abbruch aus. "Wenn nur Geisterspiele möglich sind, dann würde ich es begrüßen, wenn die Aufsteiger in Play-offs ausgespielt werden", so Pluzny. Ähnlich wie in der K. -o. -Runde der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) könnten die Top Acht gegeneinander antreten, die beiden Finalisten würden sich dann die Startplätze in der 2. Bundesliga sichern. Statt der noch ausstehenden elf Saisonspiele wäre die Anzahl der verpassten Partien im Stadion damit geringer, rechnet der Fanklub-Vorsitzende vor: "Das wäre das kleinste Übel und ich fände es am gerechtesten. "

Wie Pluzny schmerzt auch Heike und Rudi Höfer die Fußball-Abstinenz. Ein zaghafter Versuch der langjährigen FCI-Fans, sich an TV-Konserven zu erfreuen, scheiterte kläglich. "Die Fußball-Klassiker sind ja manchmal ganz nett, aber man weiß vorher, wie die Spiele enden. Das ist nicht dasselbe", sagt Höfer und führt ein besonders ernüchterndes Beispiel an. "Aus Neugier habe ich mal nachgeschaut, was bei Magenta Sport so läuft. Da haben sie gerade das letzte Spiel des FCI beim Halleschen FC gezeigt. Den Salto von Caniggia Elva nach dem Führungstor habe ich mir noch angeschaut, aber dann habe ich abgeschaltet, weil ich ja wusste, was kommt", schildert Höfer seine Rückblende. Zur Erinnerung: Die Schanzer kassierten im bislang letzten Pflichtspiel in der Nachspielzeit den Ausgleich zum 1:1, verloren dadurch den möglichen zweiten Tabellenplatz und in der Folge auch ihren Trainer Jeff Saibene.

Wie es weitergeht, ist für das Rentner-Ehepaar ein großes Rätsel. "Wir wünschen uns natürlich, dass die Saison sportlich zu Ende gespielt wird, notfalls auch mit Geisterspielen. Aber ob das durchführbar ist, bezweifeln wir sehr", sagen sie übereinstimmend und hegen auch moralische Bedenken. "Wir sind beide Riesenfans, aber in diesem Fall muss der Fußball hintanstehen. Es ist doch nicht vermittelbar, dass Fußball-Profis und der ganze Betreuerstab für Geisterspiele auf das Virus getestet werden, wenn für andere wichtige Bereiche die Testkapazitäten nicht ausreichen", sagt Höfer.

Eine Lösung hat er ebenso wenig parat wie Ingolstadts Fanvorstand Martin Bergmaier. "Geisterspiele sind natürlich nicht vergleichbar mit dem Erlebnis im Stadion. Aber wenn dadurch der Schaden zu begrenzen ist, dann würden die Fans das verstehen", meint Bergmaier und hofft auf ein sportliches Ende der Saison: "Wenn es zum Abbruch käme, würde sich immer jemand ungerecht behandelt fühlen. "

Falls es weitergeht, sieht er den Tabellenfünften in keiner so schlechten Position. "Ich weiß nicht, ob der klassische Effekt eines Trainerwechsels noch zur Geltung käme. Aber wenn es darum geht, das Feuer in der Mannschaft zu entfachen, noch dazu, wenn diese in einem leeren Stadion spielen müsste, glaube ich schon, dass Tomas Oral der richtige Mann dafür wäre. Er ist ein unglaublicher Motivator", sagt Bergmaier.

Bayerische Klubs schmieden Allianz

Die bayerischen Drittligisten haben sich klar für eine schnellstmögliche Fortführung der Saison unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesprochen. Das teilte der Bayerische Fußball-Verband (BFV) gestern nach einer Videoschalte der fünf Vereine mit Verbandsvertretern mit. „Geisterspiele sind nicht schön, aber überhaupt kein Fußball ist die schlechteste Lösung. Daher wollen wir so schnell wie möglich versuchen, diese Saison auf sportlichem Wege zu Ende zu bringen“, betonten Geschäftsführer Franz Spitzauer und Sportchef Michael Henke vom FC Ingolstadt. Günther Gorenzel, Geschäftsführer beim TSV 1860 München, wurde noch deutlicher. „Bis dato habe ich bei all den Diskussionen noch kein Sachargument gehört, dessen Bewertungsgrundlage sich nach Aussagen renommierter Experten in den nächsten sechs bis acht Monaten zum Thema Geisterspiele verändern wird“, sagte er. Wer sich jetzt gegen Geisterspiele ausspricht, würde deshalb „auch in sechs bis acht Monaten keine geänderte Bewertungsgrundlage vorfinden“. Die Würzburger Kickers, SpVgg Unterhaching und der FC Bayern München II sehen das ähnlich.

Julian Schultz, Gottfried Sterner