Neuburg
"Funny Girl" bekommt verhaltenen Applaus

Das von Sapir Heller inszenierte Stück im Neuburger Stadttheater hat seine thematische Botschaft verfehlt

23.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:24 Uhr
Ständige Diskussionen hat Azime (Miriam Haltmeier, v.l.) mit Mutter Sabite (Anke Fonferek), Bruder Zeki (Sandro ?utalo) und Vater Aristot (Klaus Philipp) über das richtige Benehmen für eine Muslima. −Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) Eine riesige, mehrere Meter hohe Burka beherrscht die Bühne im Neuburger Stadttheater.

Winzig der Augenschlitz, aus dem heraus sich Azime (Miriam Haltmeier) mit ihrem Künstlernamen vorstellt - so stehe es jedenfalls "in meinem Pilotenschein". Eine Anspielung an die bekannte erste muslimische Stand-Up-Comedian Shazia Mirza, die als Vorbild für Roman und Theaterstück von Anthony McCarten diente. Sie war wenige Tage nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 mit diesem Satz in einer Burka aufgetreten.

Auch Azime setzt auf Botschaften, die das Publikum bei dem Stück "Funny Girl" im Neuburger Stadttheater erst einmal schockiert stutzen lassen, ehe es sich langsam traut zu lachen. "Ich stamme aus London, in unserem Viertel haben wir 80 Prozent des Heroinhandels im ganzen Land - und ich spreche jetzt nur von den Geschäften meines Onkels Abdullah", stellt sie sich vor. Ihre Eltern seien erzkonservativ und eigentlich dürfte sie jetzt überhaupt nicht hier sein, "denn es ist gegen meine Religion - wie eigentlich alles". Einziges Ziel ihrer Eltern ist es, sie mit einem Moslem zu verheiraten. Dass Azime dennoch Comedian wird, ist ihrem besten Freund Deniz (Sandro ?utalo) zu verdanken, der sie in ein Comedy-Seminar mitschleift. Und natürlich ihrer positiven Lebenseinstellung. "Wenn das Leben so kompliziert ist, dass man nur weinen oder lachen kann, dann lache ich lieber", lautet ihr Motto. Wirklich witzig sind die Szenen, als sie einen von der Mutter ausgesuchten Verehrer mit nervösen Zuckungen und Grimassen in die Flucht schlägt oder Dennis sich totstellt, "um aus meinem T-Mobile-Vertrag herauszukommen".

Natürlich lässt sich auch über die Parodie der Familie schmunzeln - allerdings nicht ohne ein gewisses Unbehagen. Denn die Mutter Sabite (Anke Fonferek), die Azime als "abergläubisch, traditionsgebunden und misstrauisch gegenüber Humor" beschreibt, ist bestens geeignet, (Vor)urteile zu bestätigen. Azimes kleine Schwester Döndu (Agnes Decker) rebelliert gegen die Eltern und wird dafür mit Zimmerarrest bestraft - unter anderem dafür, dass sie mit ihrer Schulklasse eine christliche Kathedrale besuchte. Letztlich gelingt es den Eltern, ihren Willen zu brechen - Döndu akzeptiert das Kopftuch für die Zeit des Ramadans und entscheidet sich anschließend - natürlich freiwillig - immer Kopftuch zu tragen, wofür sie überschwänglich gefeiert wird.

Als ein Terroranschlag London erschüttert, beschließt Deniz, als "Comedian gegen Anschläge" aufzutreten, einen "Dschihad der Liebe" zu starten und "den Dönerspieß umzudrehen", obwohl ihm Johny (Klaus Philipp) aus dem Seminar vorhält, aus den Anschlägen Kapital und Karriere ziehen zu wollen.

Deniz überredet Azime, ebenfalls aufzutreten. Nachdem sie wesentlich besser beim Publikum ankommt, will eine Journalistin sie interviewen und ihren Klarnamen erfahren, was sie verweigert - aus Angst: "Meine Eltern bringen mich um, wenn sie erfahren, was ich hier gemacht habe. " Deniz verrät jedoch ihren Namen, und als der tatsächlich in der Zeitung erscheint, will Azimes Bruder sie schlagen, die Mutter erklärt, Azime müsse das Haus verlassen und sei für sie tot. Dass die Familie später zu einem großen Auftritt kommen und ihr erklären wird, sie sei stolz auf Azime, mildert den Einblick in ein zutiefst mittelalterliches Frauenbild nur noch wenig.

Selten hat es im Neuburger Stadttheater so verhaltenen Applaus gegeben. Der galt gewiss den professionell agierenden Schauspielern, die teils mehrere Rollen übernehmen, weniger dem von Sapir Heller inszenierten Stück. Azime sagt, sie sei angetreten, um "Vorurteile zu bekämpfen, Herzen, Augen und Taschen zu öffnen". Da lässt sich nur feststellen: Thema verfehlt. Abstrus wird es, als sie am Ende fordert, die "weiße Bevölkerung soll die Muslimas besser behandeln". Wer außer der eigenen Familie hat sie schlecht behandelt?