Ingolstadt
Fummeleien und Kontrollzwang

Im Missbrauchsprozess wurden die ermittelnden Polizistinnen gehört

15.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:03 Uhr

Ingolstadt (DK) Der Vorsitzende hatte bereits zu Beginn davor gewarnt, dass es zu einem langen Verfahren mit unschönen Details kommen könnte. So ist es nun auch. Im Prozess gegen einen 44-jährigen Ingolstädter, der seine beiden Töchter über Jahre hinweg missbraucht haben soll (DK berichtete wiederholt), müssen die Vorwürfe mangels Geständnis lang und breit erörtert werden.

Nachdem die Vernehmung der inzwischen 21 und 20 Jahre alten angeblichen Opfer unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufen ist, sind gestern die ermittelnden Kripobeamtinnen und eine Gerichtsmedizinerin gehört worden.

Die Staatsanwaltschaft ist in ihrer Anklage von einer sehr hohen Zahl von Vorfällen (gut 200) ausgegangen, weil der mutmaßliche Täter seine Töchter über Jahre hinweg wöchentlich massiv bedrängt, gestreichelt und befummelt haben soll, wobei es auch zum Eindringen mit Fingern in deren Körper (also zu Vergewaltigungen im juristischen Sinn), aber wegen des letztlichen Widerstands nicht zum klassischen Geschlechtsverkehr gekommen sein soll. Der Mann bestreitet die Vorwürfe kategorisch und erklärt sie mit Rachemotiven der Töchter, ausgelöst durch seine einstige Trennung von deren türkischer Mutter, die inzwischen gestorben ist.

Über die regelmäßigen sexuellen Übergriffe hinaus soll der vom Balkan stammende Mann seine Töchter laut Anklage mitunter auch bedroht und geschlagen, ja sogar brutal gewürgt haben. Eine Kripobeamtin sagte dazu, dass einer dieser Vorfälle sich bei den Ermittlungen für die Polizei schon als derart "grenzwertig" dargestellt habe, dass kurzzeitig sogar ein Verfahren wegen eines versuchten Tötungsdelikts im Raum gestanden habe.

Eine vom Gericht eingeschaltete Münchner Gerichtsmedizinerin sagte gestern als Gutachterin aus, dass den Angaben der Töchter zufolge bei den angeblichen Würgeangriffen zumindest eine potenzielle, jedoch keine konkrete Lebensgefahr bestanden haben dürfte. Immerhin wollen beide Mädchen seinerzeit regelrechte Würgemale (Blutergüsse) davongetragen haben.

Nach Aussagen der Töchter bei der Kripo hatte ihr Vater, der nach der Trennung von seiner zweiten Ehefrau allein mit ihnen lebte, über die Jahre auch einen regelrechten Kontrollzwang entwickelt, der ihnen häufige Statusmeldungen per Handy abverlangte. Demnach mussten sie ständig per Messenger durchgeben, wo sie sich außer Haus gerade aufhielten, angeblich sogar "Beweisfotos" vom aktuellen Aufenthaltsort, beispielsweise von der Schule und später von der Uni, an den Vater senden. Das soll so weit gegangen sein, dass sich die jungen Frauen sogar per Handy an- und abmelden mussten, wenn sie lediglich den Müll aus dem Haus brachten.

Bei der Polizei sollen die angeblichen Opfer auch immer wieder die Sorge geäußert haben, der Vater könne sie später, nach Verbüßung einer etwaigen Strafe, erneut verfolgen. Die jungen Frauen, die zwischendurch von den Behörden in einer Betreuungseinrichtung untergebracht worden waren und jetzt an einem geheimen Ort leben, hatten nach ihren Aussagen auch psychisch unter ihrer Situation gelitten. Die Rede ist von Magersucht und von anhaltenden Alpträumen. Sie hatten sich schließlich Verwandten anvertraut und waren auf deren Vermittlung hin in München zu einer speziellen polizeilichen Meldestelle für Missbrauchsopfer gegangen.

Der Prozess wird übernächsten Montag fortgesetzt und dürfte sich nach neuer Terminabsprache noch bis kurz vor Weihnachten hinziehen.