Nürnberg
"Fütterungsverbote sind völlig sinnlos"

In Nürnberg gibt es zu viele Tauben Betreute Taubenschläge und Geburtenkontrolle in der Diskussion

12.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:58 Uhr

Mit diesem Taubenhäuschen "hat sich Nürnberg lächerlich gemacht", sagt Tierschützerin Elisabeth Mederer.

Nürnberg (HK) Nürnberg setzt auf ein Fütterungsverbot, um den Bestand der Stadttauben zu begrenzen. Tierschützer wie Elisabeth Mederer finden, das reicht bei Weitem nicht aus. Auch im Stadtrat findet offensichtlich allmählich ein Umdenken statt.

Elisabeth Mederer schüttelt den Kopf und lacht. "Eigentlich ist es traurig", sagt die Tierschützerin und zeigt auf das leerstehende Taubenhäuschen, dass die Stadt am Jakobsplatz vor über 20 Jahren aufgestellt hat. "Damit hat sich Nürnberg damals bundesweit lächerlich gemacht", erinnert sich Mederer, die sich seit Jahren im Verein "Menschen für Tierrechte" engagiert. In der "Fehlkonstruktion" hätte sich nie auch nur eine einzige Taube verirrt.

Viel zu niedrig und viel zu klein seien die beiden vermeintlichen Taubenschläge gebaut worden, mit denen Nürnberg deren Lebenssituation offensichtlich mehr als halbherzig verbessern wollte. Bis 1996 hatte die Stadt einen Taubenfänger beschäftigt, der nach Anzahl der vorgelegten Taubenfüße bezahlt wurde, um die Population der verwilderten Haustiere zu kontrollieren. Dann strich Nürnberg den Posten und setzte auf ein Fütterungsverbot, um fortan das Taubenproblem zum Nulltarif zu lösen. Das sei bis so heute so geblieben. Neben den Tierschützern fragen sich offensichtlich auch immer mehr Kommunalpolitiker, ob ein Fütterungsverbot alleine ausreicht.

Rund 5000 Stadttauben gibt es laut Schätzungen der Stadt derzeit in Nürnberg. Zwei humpeln an diesem Vormittag vor einem Brezelstand im Schatten des Weißen Turms auf der Suche nach Nahrung herum. "Eigentlich fressen Stadttauben nur Körner. Wenn sie alle möglichen Abfälle vom Boden aufpicken, geschieht das aus schierer Not", sagt Mederer und spricht von den unappetitlichen Folgen dieser Mangelernährung. Dann zeigt sie auf die verkrüppelten Krallen der Tiere. Wahrscheinlich hätten sie sich ihre Füße an Drähten oder anderen Vorrichtungen zur Taubenabwehr verletzt. Die Felsenbrüter würden trotz der technischen Abwehrmaßnahmen unter Brücken und an Häuserfassaden nisten. In ihrer Not hocken sie sich auf spitze Drähte. In der Innenstadt müssten Tauben wie in einem Slum leben. "Sie versuchen sogar diese Spikes zuzukoten, um darauf brüten zu können." Einfach davonfliegen könnten die Tiere jedenfalls nicht. Die Heimatverbundenheit liege bei den Tieren in den Genen. "Tauben sind auf Standorttreue gezüchtet worden."

Mederer setzt sich deshalb dafür ein, dass sich die Stadt Nürnberg besser um die "armen Tiere" kümmert und mithilft, Taubenschläge gemeinsam mit den Tierschützern zu bauen und zu betreiben. Großes Vorbild ist Augsburg. In der Fuggerstadt setzt man auf betreute Taubenschläge, um den gurrenden Bestand gesund und gering zu halten. Bislang hat die Stadtspitze immer abgewunken. Nun kommt offensichtlich Bewegung in die Taubenfrage und ungewohnte Koalitionen deuten sich im Stadtrat an.

Thomas Schrollinger (ÖDP) fordert in einem aktuellen Antrag, die Stadt solle Taubenschläge zur Geburtenkontrolle der Tiere errichten. Marcus König (CSU) glaubt ebenfalls, dass das Fütterungsverbot alleine nicht mehr ausreicht. "Jeder in der Stadt spürt, dass wir zu viele Tauben haben", sagt König, der gleichzeitig ehrenamtlicher Geschäftsführer des Tierschutzvereins Nürnberg-Fürth ist. Man müsse nur aufmerksam durch die Altstadt gehen und sich die zahlreichen verkoteten Denkmäler anschauen. König ist sich sicher, dass die Stadtverwaltung mit Blick auf die klammen Kassen die Augen vor dem wachsenden Problem verschließt.

Bürgermeister Christian Vogel (SPD) ist der Meinung, städtische Taubenschläge könnten "nur ein Tropfen auf den heißen Stein" sein. So viele Taubenschläge könne die Stadt gar nicht bauen, um alle Tauben von der Wildbrut abzuhalten, sagte Vogel kürzlich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

Elisabeth Mederer sieht dies freilich anders. 20 Taubenschläge würden genügen, um die Taubenpopulation in der ganzen Großstadt nachhaltig zu kontrollieren. Durch den Einsatz ehrenamtlicher Tierschützer könnten die Kosten gering gehalten werden. Weil die Stadt sich nicht bewegt, wollen Mederer und ihrer Mitstreiter vom Verein "Menschen für Tierrechte" nun Privatleute zum Mitmachen animieren. Auf Geschäftshäusern, Bahnhöfen und Kaufhäusern könnten die betreuten Taubenhäuser für wenig Geld gebaut und von Ehrenamtlichen betreut werden. In diesen Taubenschlägen könnten die Geburten kontrolliert werden. CSU-Stadtrat Marcus König unterstützt diesen Vorschlag. "Wir müssen der Stadt zeigen, dass es geht." Nur so könnten Bedenken beiseite und die Fantasie in der Verwaltung angeregt werden. Selbst wirtschaftlich würden sich Taubenschläge rechnen, ist sich der gelernte Bankkaufmann sicher. Die Attraktivität der Innenstadt würde sichtbar steigen. Die Ausgaben zur Taubenabwehr spürbar sinken. Eine "klassische Win-Win-Situation" sei das. "Welchen Sinn macht ein Fütterungsverbot, wenn sich die Tauben von Essensresten und Abfällen, die überall auf der Straße liegen, ernähren", fragt sich König.

Derweil hat der Umweltausschuss am vergangenen Mittwoch das Taubenfütterungsverbot verlängert. Die Verordnung wäre sonst nach 20 Jahren zum 31. Juli abgelaufen. Elf Stadträte haben dafür, Thomas Schrollinger hat dagegen gestimmt. Um "ein Zeichen zu setzen", wie er sagt. Dass das Fütterungsverbot wenig bringt, davon ist Elisabeth Mederer überzeugt. "Die Stadttauben sind auf das ständige Brüten gezüchtet worden. Die brüten sogar zwanghaft, wenn sie halb verhungert sind. Deshalb sind Fütterungsverbote völlig sinnlos", erklärt Mederer.