Ingolstadt
"Für uns interessiert sich keine Sau"

Wenige Fahrgäste, niedrige Einnahmen, fast kein Schutz: Auch Taxifahrer leiden unter dem Lockdown

15.04.2021 | Stand 23.09.2023, 17:58 Uhr
Wenige Fahrgäste, viel Zeit für Gespräche: Die Taxifahrer, die am Hauptbahnhof Ingolstadt stehen, tauschen sich oft über ihre schwierige Lage aus. −Foto: Mayr

Ingolstadt - Salih Köpp öffnet seinen Geldbeutel.

 

Darin sind 15 Euro in Scheinen und einige Münzen. Er steht mit seinem Fahrzeug ganz vorne in der langen Taxi-Schlange vor dem Bahnhof. "20 Euro habe ich bis jetzt verdient. Ich fahre seit acht Uhr und jetzt ist es kurz nach halb zwölf. " Manchmal wartet Köpp, der eigentlich Student ist und seinem Vater ab und zu aushilft, vier bis fünf Stunden. "Und dann sind es häufig Fahrgäste, die nur eine Strecke für zehn Euro fahren möchten. " Niedrige Einnahmen. Dabei müsse sein Vater viele Rechnungen bezahlen: Versicherungen für die Familie und fürs Auto, Sprit, die Finanzierung des Taxis und den Taxi-Funk.

Die Corona-Pandemie macht dem Taxi-Gewerbe schwer zu schaffen: Nach offiziellen Angaben des Bundesverbands für Taxi und Mietwagen liegen die Einbußen bei 80 Prozent, wie Dominik Eggers, Referent für Public Affairs, sagt. Dabei habe die Taxi-Branche eine gesetzliche Beförderungspflicht. Das bedeutet konkret, dass Taxen fahren müssen, auch wenn sie fast keine Einnahmen haben - und das rund um die Uhr. "Was für ein Krampf", sagt Werner Kick, der selbstständiger Taxiunternehmer ist, dazu. "Nachts stellt sich doch niemand an. " Die Nachtfahrer würden dann natürlich auch am Tag fahren. Die Folge: Noch mehr Taxen für die ohnehin wenigen Kunden.

Derzeit gebe es 72 Unternehmen mit 113 Taxen in Ingolstadt, erklärt Kurt Hanisch von Taxi-Funk Ingolstadt - einer Taxizentrale, der 77 Taxen angeschlossen sind. Diese vermittelt dann an ihre Mitglieder Aufträge. Dafür zahlen diese durchschnittlich "zwischen 450 und 500 Euro brutto im Monat", so Hanisch. Seit 2016 wurden nur sechs neue Genehmigungen von der Stadt Ingolstadt ausgegeben. "Die Zahl richtet sich nach dem Bedarf. Die Stadt ist also verantwortlich dafür, dass die zugelassenen Taxen auch eine Überlebenschance haben. " An sich gebe es eine Faustregel, die besagt, dass auf 1000 Einwohner ein Taxi kommt. Bei fast 139000 Einwohnern wären dies 139 Taxen. Da Ingolstadt aber eine Autostadt sei, in der jeder zwei bis drei Autos habe, seien es nur 113.

"Die einzige zuverlässige Einnahmequelle sind die Patienten- oder Krankenfahrten", sagt Eggers vom Bundesverband. "Befördert werden also Leute zur Chemo- und Strahlentherapie oder zur Dialyse. " Die Taxifahrer haben also Kontakt zu den besonders gefährdeten Menschen. Trotzdem würden sie nicht bei der Impfpriorisierung berücksichtigt. "Für uns interessiert sich doch keine Sau", ärgert sich Bernhard Wolf, der sein Unternehmen seit 1996 hat. "Dabei müssen wir Leuten in den Rollstuhl und auch wieder heraus helfen. Wir werden sogar aufgefordert, Leute abzuholen, die gerade Corona-positiv getestet worden sind. " Er müsse es natürlich nicht tun. "Aber es geht hier um die Sache. Wir haben nur einen Schutz, der nichts hilft", sagt er und zeigt auf eine Plastiktrennwand zwischen der Fahrgastbank und dem Fahrer. Die sei aber nicht dicht, weil sonst der Airbag nicht auslöst. "Auch wissen viele gar nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen können. Ich arbeite nur noch, damit das Minus auf dem Konto nicht größer wird. " Neben dem Taxi von Wolf steht Johann Neif. Er erzählt, dass ihm nach Bezahlen der Unkosten zwischen 250 und 300 Euro zum Leben bleiben. "Wenn es bis zum Ende des Jahres so weitergeht, werden viele bankrott gehen", ist er sich sicher.

Atila Dikilitas hat vor drei Monaten, also bereits mitten in der Pandemie, ein insolventes Unternehmen übernommen - mit 15 Taxen das größte in Ingolstadt. "Bereut habe ich es nicht, aber ich habe natürlich Minus gemacht. Es bringt ja nichts, dass alle Taxen auch eingesetzt werden, wenn sie nur leer rumstehen. "

Die schlechte Lage hängt natürlich auch damit zusammen, dass Gastronomie und Einzelhandel schließen müssen, es keine Kulturveranstaltungen gibt und keine Freizeitaktivitäten möglich sind. Hermann Krimmler, ebenfalls selbstständiger Taxifahrer, versteht das nicht: "In jedem Supermarkt steckt man sich eher an als in einer kleinen Boutique. " Man solle nicht große Unternehmen unterstützen, sondern kleine. Das sieht sein Kollege Werner Kick genauso. "Wir sind doch eine Demokratie. Entweder wir machen alles zu oder alles auf. "

Auch die Unterstützung durch den Staat hilft da nichts: "Die Corona-Hilfen gehen ein Stück weit an dem Gewerbe vorbei. Die Hauptkosten, die ein Taxi-Unternehmen hat, wie beispielsweise die Tilgungskosten für die Fahrzeuge, werden nicht anerkannt", sagt Eggers. "Deshalb ist es unser Hauptanliegen, das wir an die Politik adressiert haben, diese Kosten abrechnen zu dürfen. Wir müssen einfach zeigen, dass Corona auch an uns nicht vorbei geht. "

DKTAXIGEWERBE: ARBEITSMARKT IN ZAHLENLaut der aktuellsten Statistik der Bundesagentur für Arbeit waren zum Stichtag 30. September 2020 in Ingolstadt 217 von insgesamt 104 413 Beschäftigten im Personentransport tätig - dazu gehören Taxifahrer und Chauffeure. Zum Vergleich: Im März 2020 waren es noch 251. "Da ist schon ein deutlicher Knick durch den Lockdown zu sehen", sagt Peter Kundinger, Pressesprecher der Arbeitsagentur Ingolstadt. Bei den Arbeitslosenzahlen gibt es neuere Werte: Im März 2021 waren 15 von insgesamt 3372 Arbeitslosen Taxifahrer oder Chauffeure. Schätzungen des Bundesverbands für Taxi und Mietwagen zufolge seien etwa 40 Prozent der Fahrer in Kurzarbeit. Rund ein Drittel der Unternehmen werde wohl bis Jahresende verschwunden sein. dm

 

Doris Mayr