"Für neue Projekte gibt es nach wie vor genügend Ideen"

Wie sich das EU-Förderprogramm weiterentwickeln könnte

22.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:22 Uhr
  −Foto: Hofmann/Janda

Das EU-Förderprogramm Leader hat seit seinem Start vor 15 Jahren mehr als vier Millionen Euro in den Kreis Neuburg-Schrobenhausen und den Markt Hohenwart gespült. Dennoch ist die Initiative alles andere als unumstritten. Im Interview erklären Leader-Manager Klaus Rössler, sein Vorgänger Harald Müller und ihre Mitarbeiterin Gesine Stutz, woran das liegt, wie dieses Imageproblem zu lösen ist und wie sich das Programm entwickeln könnte.

Herr Rössler, Herr Müller, Frau Stutz, man hat bei Leader den Eindruck, es entsteht immer noch ein Wanderweg, noch ein Erlebnisplatz. Hat sich die Idee nach rund 15 Jahren überholt?

Klaus Rössler: Nein, denn wir haben zwischenzeitlich ganz andere Themen. Mittlerweile ist es ein sehr breites Spektrum, das bei Leader bearbeitet wird, beispielsweise die Bereiche Demografie und Bildungsförderung. Da haben wir viel umgesetzt.

In der Bevölkerung herrscht dennoch der Eindruck, Leader mache nichts anderes als Rad- und Wanderwege.

Rössler: Das liegt vielleicht daran, dass sie in der Vergangenheit die am meisten umgesetzten Projekte gewesen sind. Viele der laufenden Maßnahmen sind aber noch gar nicht fertig.

Wie hat sich denn im Laufe der Jahre der Schwerpunkt der Projekte verändert?

Harald Müller: Ich denke, dass es für die Gemeinden am Anfang der Leader-plus-Periode am einfachsten war, auf Wanderwege zu setzen. Denn die haben in der Region - das muss man sagen - ja tatsächlich noch gefehlt und konnten außerdem relativ leicht gefördert werden. Danach kamen viele Projekte - von der Wurfscheibenarena in Brunnen bis hin zu den Lebensräumen für Jung und Alt sowie zum Innovationszentrum in Oberhausen -, die einen längeren Vorlauf hatten und eine längere Beschäftigung mit Leader nötig gemacht haben. Außerdem musste in den Gemeinden der Vernetzungsgedanke auch erst in die Köpfe. Dass Leader mehr ist, als nur ein Wanderweg, sondern Kooperation bedeutet. Das war ein längerer Prozess, der hat gedauert. Als es aber angekommen war, ist es auch geflutscht und hat gute Projekte auf den Weg gebracht.

Steigt man also jetzt tiefer in die Region ein und setzt Projekte um, die nicht so sehr in der Öffentlichkeit stehen?

Rössler: Ich denke, Leader verändert sich mit den Anforderungen und den Voraussetzungen der Gesellschaft. Dabei ist der Aufwand für ein Projekt wie ein Generationenhaus ein ganz anderer als bei einem Wanderweg. Daher sind die Aufgaben für die Gemeinden auch ganz unterschiedlich.

Hat sich auch die Vernetzung innerhalb der Leader-Aktionsgruppen sowohl in Oberbayern als auch in Europa verstärkt?

Rössler: Definitiv. Wir arbeiten intensiv mit den Aktionsgruppen in der Region 10 zusammen, also Altmühl-Jura, Altmühl-Donau und Pfaffenhofen. Derzeit bereiten wir ein Blühflächenprojekt vor, bei dem auch andere Regionen dabei sind. Solch eine enorme gebietsübergreifende Thematik könnten wir ohne Leader gar nicht aufgreifen.

Dennoch steht die Europäische Union immer wieder in der Kritik - oftmals weil sie angeblich für die Region nichts bringt. Was sagen Sie den Gegnern?

Rössler: Allein in der laufenden Förderperiode werden 3,8 Millionen Euro an Gesamtvolumen umgesetzt, die für die Stärkung des ländlichen Raums in die Region fließen. Das hat dazu beigetragen, die Attraktivität zu stärken. All diese Projekte wären ohne Leader definitiv nicht umgesetzt worden.

Hat die EU also ein kleines Imageproblem, weil sie das nicht in die Köpfe der Menschen bekommt?

Müller: Leader ist ja nur ein kleiner Ausschnitt aus ELER (der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, die Redaktion). Das wiederum ist nur eines von vielen Programmen in der EU. Und bei Leader sind wir selbst nur ein kleines Rädchen. In der Vergangenheit sind durchaus auch andere Fördertöpfe angezapft worden. Vieles lief beispielsweise über die Wirtschaftsförderung, so wie der Energienutzungsplan in Oberhausen. Solche Sachen muss man eben öffentlichkeitswirksam darstellen. Und das ist auch Aufgabe der Gemeinden - zu zeigen, dass EU-Mittel in die Projekte fließen.

Oft ist zu hören, dass das ganze Verfahren sehr umfangreich ist. Ist Leader denn mittlerweile zu kompliziert geworden?

Müller: Leader ist sicher kein einfaches Programm. Man darf aber nicht immer alles nur auf Brüssel schieben.

Rössler: Die Anzahl der nicht kommunalen Projektträger ist deshalb sicher zurückgegangen. Der Verwaltungsaufwand ist sicherlich ein Thema, das ohne Erfahrung kaum noch funktioniert. Der ursprüngliche Leader-Gedanke war ja, dass Bürger eine Idee haben, Gleichgesinnte suchen, um Fördermittel zu bekommen und alles umsetzen. Das ist derzeit nicht mehr ganz so einfach.

Gesine Stutz: Da spielen allerdings zwei wichtige Punkte rein: Die bürokratischen Anforderungen haben sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht. In der aktuellen Periode kommen dazu auch noch Richtlinienänderungen, die es so früher nicht gab. Da gilt dann plötzlich bei der Abrechnung etwas anderes als bei der Beantragung. Das macht es auch für uns nicht einfacher. Der zweite Punkt ist, dass wir ein Bewusstsein schaffen müssen. Dass wir den Kommunen vermitteln, dass sie über Leader öffentliche Gelder beantragen - was natürlich einen gewissen Verwaltungsaufwand bedeutet. Man muss aber auch darauf achten, ob der Aufwand in Relation zur Fördersumme steht.

Ein Beispiel für bürokratische Hürden ist die Aufwertung des Burgheimer Badesees.

Rössler: Da ging es um Fragen wie: Darf ich da eine Bank hinstellen? Darf ich da eine Badeinsel machen? Das sind alles Themen, die in Planung und Umsetzung einfließen, die aber zum Teil einen enormen Aufwand nötig machen.

Ist das nicht deprimierend?

Rössler: Durchaus. Das ist auch das Resümee von manchen Kommunen, die sich mittlerweile schwer tun, ein Projekt zu stemmen. Das liegt nicht an fehlenden Ideen oder der Finanzausstattung, sondern an der Erfahrung und am Personal.

Stutz: Dabei ist zu beachten, dass viele Projekte nicht an Leader selbst scheitern, sondern an den Hürden anderer Behörden. Das fällt aber immer alles auf Leader zurück. Da muss man ganz klar differenzieren.

So oder so: Der Frust ist in einigen Gemeinden offenbar groß. Es gab bereits erste Richtungsbeschlüsse zur weiteren Teilnahme. Da haben Sie sich einige Absagen eingehandelt.

Rössler: Wir wollten zu Beginn der zweiten Halbzeit einfach ein Stimmungsbild einholen, um zu wissen, wie es weitergeht. Die Frage ist auch, ob wir Mittel für eine neue Entwicklungsstrategie brauchen? Momentan will auf jeden Fall eine Mehrheit weitermachen. Das ist aber nicht in Stein gemeißelt. In unserer nächsten Mitgliederversammlung werden wir uns darüber unterhalten.

Schielen Sie dabei auch nach Pfaffenhofen, wo die Leader-Förderregion in der Auflösung begriffen ist?

Rössler: Was dort passiert, nehmen wir durchaus wahr.

Wäre es denkbar, den verbleibenden Gemeinden von dort im Altbayerischen Donaumoos eine neue Heimat zu geben?

Rössler: Um darüber nachzudenken, ist es noch zu früh. Wir müssen erst klären, welche unserer Kommunen weitermachen wollen und wie unsere Gebietskulisse dann aussieht. Wenn dann noch die Vorgaben des Ministeriums für die neue Förderperiode und den Zuschnitt der Aktionsgruppen bekannt sind, sind grundsätzlich auch solche Überlegungen möglich. Aktuell steht jedoch nur fest, dass es eine neue Förderperiode geben wird. Letztlich entscheiden die Mitgliedsgemeinden, wie es weitergehen soll. Und dann braucht es für den Zuschlag natürlich noch eine erfolgreiche Bewerbung mit einer überzeugenden lokalen Entwicklungsstrategie.

Gäbe es denn genug Ideen für die nächsten Jahre?

Stutz: Es kommen nach wie vor immer neue rein. Da machen wir uns keine Sorgen. Es gibt noch genügend. Es kann aber durchaus noch sein, dass sich die Absichtserklärungen der Kommunen noch ändern werden.

Was sagen Sie eigentlich zu Brunnen, wo es im Gemeinderat hieß: "Wir haben doch nichts von dem Programm"?

Müller: Das verstehe ich nicht. Gerade in Brunnen hatten wir mit der Wurfscheibenarena doch eines der größten Projekte überhaupt.

Könnte es auch ein Problem sein, dass vieles im Alltag gar nicht mehr als Leader-Projekt erkennbar ist, unter anderem die Arena in Brunnen?

Müller: Durchaus. Das trifft auch auf ein großes Netzwerkprojekt zu, nämlich die Nachbarschaftshilfe. Dort sind die Helfer immer noch Feuer und Flamme. Es wird aber nicht mit Leader in Verbindung gebracht.

Rössler: Ein anderes Beispiel ist das gerade gegründete Kommunalunternehmen iKommZ im nördlichen Landkreis. Die Regionalschau in Burgheim war einst von Leader geprägt. Aus dieser Zusammenarbeit ist nun eine Kooperation mehrerer Gemeinden entstanden.

Müller: So etwas kommt nicht aus der Bürgermeisterdienstbesprechung, sondern aus Leader. Solche Zusammenarbeit wird weiter zunehmen - und auch müssen. Denn nur so lassen sich Synergien erzeugen.

Rössler: Solche Projekte, zu denen in Zukunft auch der Spirituelle Tourismus gehören wird, der gerade in der Vorbereitung ist, wären in der Vergangenheit nicht möglich gewesen, weil es diese Plattform zum Austausch nicht gab. Wir als Geschäftsstelle sehen daher eine wichtige Funktion darin, draußen zu sein, mit den Leuten zu reden und Impulse aufzugreifen und auch weiterzugeben. Das mündet nicht immer gleich in ein neues Projekt, ist aber für die weitere Vernetzung wichtig. Denn nur dadurch kommen mit der Zeit ganz neue Themen zum Laufen.

Sie haben die Nachbarschaftshilfe als Idealprojekt genannt. Gibt es ein weiteres?

Müller: Was eines hätte werden können, war die Lebensmittelmarke "Vier Gärten". Dabei kam über Leader die Anschubfinanzierung. Aber es steht keine Erfolgsgarantie dahinter. Dass es nicht geklappt hat, lag aber nicht an Leader.

Rössler: Auch das Innovationszentrum in Unterhausen ist ein Leuchtturmprojekt. Darauf kann man stolz sein - und sicher auch ein wenig neidisch.

Müller: Und auch die Wanderwege haben dem sanften Tourismus in der Region viel gebracht, wenngleich ich Kritik anbringen muss. Denn die Nachsorge lässt oft zu wünschen übrig. Ich bin in meinem Ruhestand viel auf diesen Wegen unterwegs, auch als Betreuer. Mir liegt etwas daran, dass diese Routen in gutem Zustand bleiben. Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass das seit Jahren geplante Tourismuskonzept im Landkreis endlich auf den Weg gebracht wird. Neuburg macht etwas, Schrobenhausen auch, aber es gibt keine konzertierte Aktion im gesamten Landkreis.

Wo hapert es in der Region bei Leader aus Ihrer Sicht noch?

Rössler: Ein Thema für die Zukunft wäre sicher der Freizeitbereich. Da passen auch Generationenplätze ein Stück weit hinein. Und auch die Veränderung der Gesellschaft mit dem demografischen Wandel wäre ein Feld. Die geplante Kreativwerkstatt in Oberhausen geht bereits in diese Richtung. Sie soll Menschen aller Altersstufen Zugang zu Dingen geben, die früher selbstverständlich waren oder noch ganz neu sind.

Eine gewisse Hemmschwelle ist dennoch vielerorts zu spüren. Wie wollen Sie die Leute davon befreien?

Rössler: Das liegt sicher vor allem an den Akteuren vor Ort. Man braucht Freiwillige, die sich engagieren. Wenn die sich nicht finden, wird es richtig schwierig. Denn die müssen vorantreiben, steuern und die Bevölkerung mitnehmen. Und zwar nicht nur bis zur Antragsreife, sondern auch bei einer nachhaltigen Umsetzung.

Man merkt aber: In Oberhausen funktioniert es, denn dort steht Bürgermeister Fridolin Gößl hinter der Leader-Idee. Wo der Rathauschef nicht überzeugt ist, läuft es hingegen nicht. Ist es also ein Problem, dass der Großteil der Ideen aus der Politik kommt?

Rössler: Der Bottom-up-Ansatz ist tatsächlich momentan nicht mehr en vogue. Doch auch zu Beginn der laufenden Förderperiode 2014 sind die Ideen gesprudelt. Wir brauchen aber auch die Leute dazu, die sich über eine längere Zeit hinweg einbringen können.

Der 2016 gestorbene Altlandrat Richard Keßler hat immer vom Whirlpool der Ideen gesprochen. Wie könnte man den wieder zum Sprudeln bringen und die Leute begeistern?

Stutz: Das funktioniert nur im Dialog mit den Leuten.

Müller: Als Aktionsgruppe hat man Einblick in viele andere Regionen, man weiß, was andernorts passiert. Da lässt sich vieles adaptieren. Und dann braucht man Partner zur Umsetzung. Da ist noch genügend Platz und Spielraum für Ideen.

Rössler: Aber das muss wohldosiert passieren. Aktionismus hilft dabei nicht, ist meist sogar kontraproduktiv. Leader-Projekte sollen wohlüberlegt, nachhaltig und abgestimmt auf die Belange der jeweiligen Region sein. Ein aktuelles Beispiel ist das Blühflächenkonzept. Da sind die Kommunen auf uns zugekommen.

Die hiesige Aktionsgruppe ist mit dem Namen Altbayerisches Donaumoos gegründet worden. Bleibt diese Bezeichnung oder passt sie längst nicht mehr?

Rössler: Dieser Name sollte bleiben, auch wenn die Gebietskulisse sich längst nicht mehr nur auf das Donaumoos beschränkt. Doch der Name ist mittlerweile eine Marke, die sich etabliert hat. Bewährtes sollte man nicht ohne Not ändern.

Das Gespräch führten

Bernd Hofmann und Stefan Janda
LEADERDas Gebiet entspricht zugleich der Förderregion des EU-Programms Leader, für dessen Umsetzung die Aktionsgruppe vor Ort zuständig ist. Geschäftsführer ist seit 2014 Klaus Rössler. Unterstützt wird er von Gesine Stutz, die bereits mit Rösslers Vorgänger Harald Müller gearbeitet hat. Der Königsmooser war von 2004 bis 2013 als Leader-Manager tätig. Die Geschäftsstelle der Lokalen Aktionsgruppe, kurz LAG, ist heute im Burgheimer Ortsteil Straß.

DK