Ingolstadt
Für die letzte Ruhe wird’s da und dort eng

Städtische Friedhöfe sollen aber bis 2050 Platz bieten – Starker Trend zu Urnengräbern

08.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:40 Uhr

−Foto: Hammer, Cornelia, Ingolstadt

Ingolstadt (DK) Eine ständig wachsende Stadt wird beizeiten auch mehr Grabstellen auf ihren Friedhöfen benötigen.

Im Bestattungsamt werden längst Szenarien für die nächsten Jahrzehnte durchgespielt. Dabei wird bereits klar, dass später nicht mehr jeder Bürger aus den Außensiedlungen auch auf seinem Dorffriedhof zur letzten Ruhe gebettet werden kann.

 

Um rund 35 000 Einwohner hat Ingolstadt in den vergangenen rund 25 Jahren zugelegt – Tendenz: immer noch steigend. Das macht zunächst mal Infrastrukturmaßnahmen im Straßen- und Wohnungsbau, bei der Ver- und Entsorgung von Grundstücken und auf den Sektoren Bildung, Medizin und Soziales notwendig. Der Zuzug recht junger Leute und der damit vergleichsweise niedrige Altersdurchschnitt der Bevölkerung lassen eine weitere Notwendigkeit nur ganz entfernt, fast noch hinter dem Horizont, erahnen: Auch viele Menschen, die erst in jüngerer Vergangenheit in der Stadt heimisch geworden sind oder es künftig noch werden, müssen nach ihrem Tod irgendwo auf den bestehenden Friedhöfen ihre Grabstätte finden. Neue Friedhöfe sind nicht geplant, wären womöglich auch kaum durchzusetzen. Und da und dort wird es bereits eng.

Das städtische Standes- und Bestattungsamt muss sich mit Planspielen für übermorgen abgeben und weiß dabei vor allem eines: Es mag halbwegs zuverlässige statistische Prognosen für die Sterblichkeitswahrscheinlichkeit von Menschen geben – eine Voraussage, welche Bestattungsformen unter kulturellem und sozialem Wandel in fernerer Zukunft bevorzugt werden, ist heute keineswegs exakt zu sagen.

„Wir haben über die Jahre feststellen müssen, dass unsere Vorhersagen nicht immer zutreffen“, erklärte zuletzt der kürzlich in Ruhestand gegangene vormalige Rechtsreferent der Stadt, Helmut Chase, die Situation. Zudem sei inzwischen längst nicht so sicher wie früher, dass die Pacht für Grabstellen nach Ablauf der Mindestruhefristen von Familienangehörigen noch weiter verlängert wird. Chase: „Das wird nicht mehr so in Anspruch genommen wie früher – die Leute sparen heute überall.“

„Eine feste Planung ist kaum möglich“, sagt deshalb auch Amtsleiter Reinhard Rauscher, dessen Mitarbeiter dennoch immer eine lange Perspektive im Auge behalten müssen. Friedhofsplanung, so Rauscher, werde nicht jetzt plötzlich akut, sondern sei ein Thema, das die Verwaltung immer begleite. Auch wenn die künftige Entwicklung immer eine gewisse Unschärfe aufweise, wage man inzwischen aber die Prognose, dass die jetzigen Friedhofsflächen der Stadt wahrscheinlich bis 2050 ausreichen dürften.

Das klingt zunächst mal komfortabel, doch stützt sich die Rechnung der Stadt auf Faktoren, die sich auch mal ändern könnten: Noch ist es so, dass viele Muslime, in der Regel aus der Türkei, verstorbene Verwandte zur Bestattung in ihre Heimat überführen lassen, weil sie dort nach islamischem Ritus allein in Tüchern bestattet werden können, was in Bayern wegen der Sargpflicht nicht möglich ist. Sollte diese gesetzliche Vorgabe einmal wegfallen, wäre es durchaus denkbar, dass auch türkischstämmige Bürger, die längst fest in Ingolstadt verwurzelt sind, ihre Verstorbenen zunehmend in der Stadt bestatten lassen.

Auch unter vielen deutschen Zugezogenen mag es so sein, dass bei Todesfällen mitunter noch Bindungen in die früheren Heimatorte eine Rolle spielen, die letzte Ruhe also nicht immer zwingend auch in Ingolstadt gesucht wird. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass junge Neubürger mit der Zeit sogar ihre Eltern nachholen und somit auf lange Sicht auch die Zahl älterer Menschen in der Stadt weiter zunimmt – mit eines Tages höherem Bedarf an Grabstellen.

Den großen Bevölkerungssprüngen der vergangenen 30 Jahre mit der daraus erwartbaren künftig höheren Zahl an Sterbefällen steht ein Trend gegenüber: Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Urnenbestattung, was den Platzbedarf auf den Friedhöfen mit ihren derzeit rund 20 000 Gräbern zunächst mal verringert. Unsere Grafik verdeutlicht den Umschwung zugunsten der Feuerbestattungen. Die Frage, die allerdings bleibt, ist die Form der dann gewünschten Beisetzung: im einzelnen Urnengrab mit Gestaltungsmöglichkeit, in einem Urnenfeld, einer Urnenwand oder in einem Baumgrab (mit sehr beschränkter persönlicher Note) – oder eben als Zubestattung im bereits bestehenden Erdgrab einer Familie.

Absehbar ist, dass die Grabstellen in einigen Außenbereichen der Stadt mit der Zeit trotz jetzt noch da und dort bestehender letzter Reserveflächen beizeiten erschöpft sein werden, weil die Friedhöfe entweder von Bebauung umschlossen sind oder spezielle landschaftliche oder geologische Gegebenheiten gegen eine Erweiterung sprechen. In Gerolfing, Oberhaunstadt und Etting ist das der Fall.

Einen neuen Friedhof anzulegen, so sieht es die Stadt, wäre extrem teuer. Deshalb sollen die Erweiterungsflächen auf den großen Friedhöfen im Norden und im Süden in den nächsten Jahrzehnten das Potenzial bilden, das eine wachsende Stadt auch bei diesen letzten Dingen braucht. Das bedeutet aber auch, dass Bürger aus den fraglichen äußeren Stadtteilen, deren Familien dort nicht bereits Grabstellen besitzen, in einigen Jahren wohl nicht mehr an ihrem Wohnort bestattet werden können. Dann sind für die Angehörigen etwas längere Wege zu den Friedhöfen in der Stadt unvermeidbar.