München
Für alle Sinne

Der Multiinstrumentalist Steven Wilson erzählt im Münchner Gasteig traurig-schöne Rockgeschichten

15.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:19 Uhr

Großes Kino: Steven Wilson stellte sein neues Soloalbum "Hand. Cannot. Erase." im Münchner Gasteig vor. - Foto: Buquet

München (DK) Wie eine entfernt tickende Uhr hallt der Synthesizer durch den abgedunkelten Saal, minutenlang. Die riesige Leinwand hinter der Bühne zeigt eine triste Londoner Häuserfront. In einem der winzig kleinen Apartments liegt Joyce Carol Vincent.

Sie atmet nicht mehr, ist bereits seit über zwei Jahren tot. Aber niemand hat es bemerkt. Es ist die wahre und tragische Geschichte dieser Frau, mit der sich Steven Wilson auf seinem aktuellen Album "Hand. Cannot. Erase." auseinandersetzt. Auf seiner aktuellen Tour macht der britische Multiinstrumentalist, Produzent und Songschreiber mit seiner Band auch in München halt. Sein neues Werk spielt er am Stück, im Hintergrund läuft ein eigens produzierter Film, der sekundengenau auf die Kompositionen abgestimmt ist. Nachdenklich, düster, manchmal sogar brachial sind die ausufernden Rockepen des Briten, aber auch hoffnungsvoll - dann, wenn Film und Musik die glücklichen Momente im Leben der einsamen Toten erkunden.

Etwa 2000 Besucher verfolgen gebannt das Geschehen auf der Bühne. Eine durchaus beachtliche Zahl angesichts der Tatsache, dass Wilson in den gängigen Radio- und TV-Formaten so gut wie gar nicht präsent ist. Ebenso wenig ist die Philharmonie des Gasteigs als klassische Rockhalle bekannt, dennoch funktioniert Wilsons raumfüllender Breitband-Rock ausgesprochen gut - wenngleich der Saal in den intensiveren Passagen den Sound etwas verwässern lässt. Dennoch brandet stürmischer Jubel auf, nachdem die letzten Pianoläufe von "Hand. Cannot. Erase." verklungen sind.

Im zweiten Teil kommen auch langjährige Fans auf ihre Kosten, denn Wilson spielt u. €…a. einige Songs seiner früheren und mittlerweile legendären Band Porcupine Tree. Für deren Klassiker "Don €™t Hate Me" bittet Wilson die israelische Sängerin Ninet Tayeb auf die Bühne, die bereits im ersten Teil zwei Stücke mit ihrer rauchigen, vollen Stimme bereicherte.

Nach zweieinhalb packenden Stunden gibt es Standing Ovations. Dann erklingt aus den Nebelschwaden die Stimme David Bowies. Und auch die jüngst verstorbene Ikone, der Wilson seinen Song "Lazarus" widmete, würde wohl zweifelsfrei anerkennen: Es gibt mehrere Meister des cineastischen Rock. Einer von ihnen heißt Steven Wilson.