Fünfmal acht Stunden - Kommerzieller Webcam-Sex als Home-Office?

05.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:13 Uhr

München (dpa) Die Unschuld vom Land ist „Natalie Hot“ definitiv nicht. Zwar wohnt sie in einer 6000-Einwohner-Gemeinde im beschaulichen Oberbayern. Ihr Geld verdient sie aber mit Porno-Videos, erotischen Foto-Shootings sowie Auftritten auf Sex-Messen. Und mit freizügigen Chats im Internet, für die sich die 24-Jährige mit Künstlernamen in ihrem schmucken Einfamilienhaus in Ampfing stöhnend vor der Webcam auszieht - sehr zum Ärger ihrer Nachbarn. Am Mittwoch landete der Fall vor Gericht.

Und zwar vor dem Verwaltungsgericht München, denn der juristische Knackpunkt liegt im Baurecht. Kurz zusammengefasst: Die 24-Jährige hatte einen Antrag auf Nutzungsänderung gestellt, um in dem gemieteten Haus - das laut Bebauungsplan nur zu Wohnzwecken genutzt werden darf - ein „Darstellungs- und Schaustellereizimmer“ einzurichten. Das Landratsamt Mühldorf am Inn lehnte diesen Antrag ab und untersagte „Natalie Hot“ unter Androhung eines Zwangsgeldes von 2000 Euro zugleich jegliche gewerbliche Nutzung der Räume.

Dagegen zog die junge Frau nun vor Gericht, unterstützt von ihrem elf Jahre älteren Ehemann und Manager. Sie argumentieren zum einen, dass das Posieren vor der Webcam - acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche - mit Tele-Arbeit oder Home-Office vergleichbar sei und daher kein Gewerbe darstelle. Und wenn es denn ein Gewerbe sei, so müsse die Arbeit genauso behandelt werden wie andere kleine Betriebe in dem Wohngebiet, die eine Ausnahmegenehmigung erhalten hatten.

Das Urteil will das Gericht den Beteiligten erst an diesem Donnerstag bekanntgeben, doch eine Tendenz hat die Kammer bereits durchsickern lassen. „Es ist keine eindeutige Geschichte“, sagt Richterin Andrea Breit. „Im Ergebnis hat unsere Diskussion aber doch erbracht, dass wir in Richtung einer sonstigen gewerbliche Tätigkeit tendieren und das Ganze nicht mehr als vom Wohnen mitumfasst betrachten.“

Ob es für die Arbeit vor der Internetkamera eine Ausnahmegenehmigung für eine gewerbliche Nutzung des Raumes geben könnte, blieb hingegen offen. „Wir wollen das moralisch nicht bewerten“, betont Breit. „Wenn es eine Tätigkeit ist, von der - ich sage es mal untechnisch - nichts „Beschwerdefähiges“ nach außen dringt, wenn es so gemacht wird, dass die Nachbarn keinen Anstoß nehmen können, ist es möglicherweise auch zulässig in diesem Haus. Man muss sich dann aber auch an Begrenzungen halten.“

Dass das klagende Paar manchmal durchaus bewusst auf Konfrontation geht und sich nicht immer an alle Regeln hält, wurde im Prozess schnell deutlich. Den Dreh von Porno-Videos in dem Haus habe man aber schnell eingestellt, als klar wurde, dass dies „wirklich richtig verboten“ sei, erzählt die 24-Jährige. Das hält sie und ihren Mann aber nicht von Provokationen ab: Als der Ärger mit den Anwohnern immer größer wurde, organisierten sie eine Swinger-Party im Keller - und luden neben Bekannten aus der Porno-Branche, die mit entsprechenden Werbezügen auf den Autos anreisten, auch die Nachbarn per Flyer dazu ein.

Falls es eine komplette Niederlage kassieren sollte, wird das Paar wohl umziehen. „Lieber gehe ich weg, als dass ich meinen Job aufgebe“, sagt die bundesweit in der Szene durchaus bekannte Porno-Darstellerin. Sie ist sich sicher, dass es ausschließlich an ihrer Branche liegt, dass sie juristische Schwierigkeiten hat. Dass es sich dabei um ein bundesweites Pilot-Verfahren um Webcam-Sex handelt, lässt sich umso besser zur Selbstvermarktung nutzen: Sie kämpfe für die Rechte aller Darstellerinnen, betont die 24-Jährige.

Ihrem eigenen Kontostand hat all die Aufmerksamkeit jedenfalls nicht geschadet. „Mein Name wird dadurch größer, und die Fans kommen in die Chats und fragen, wie es läuft“, erzählt sie. Auch die Zahl der täglichen Stammnutzer sei gewachsen. Die Männer zahlen pro Minute zwischen einem und drei Euro an die Anbieter - mindestens ein Viertel davon fließt auf das Konto von „Natalie Hot“.