Ingolstadt
Fünf Männer, ein Bagger und der Zufall

Heute zeichnet Ministerpräsident Markus Söder Lebensretter aus - auch aus der Region

28.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:12 Uhr
Mit diesem Bagger rettete Jakob Riedl einem Buben das Leben. −Foto: Christian Riedl

Ingolstadt/Menzenbach (DK) Zufällig findet an diesem Tag eine interne Fahrerschulung in seinem Tiefbauunternehmen statt.

Sonst wäre Jakob Riedl gar nicht in Menzenbach im Kreis Pfaffenhofen gewesen, sondern unterwegs. Und zufällig geht er ans Handy, das lautlos gestellt ist, als ihn sein Cousin Josef Moll anruft. Der sagt nur: "Komm schnell. Da liegt ein Bub unterm Bulldog. " Jakob Riedl rennt sofort zum Lagerplatz, startet geistesgegenwärtig einen seiner Bagger und fährt damit zum nahe gelegenen Unfallort. So wird er ein Lebensretter. Der 58-jährige Pfaffenhofener zählt zu jenen, die heute in München von Minsterpräsident Markus Söder (CSU) geehrt werden.

Der elfjährige Bub ist an diesem 5. Mai 2018 gegen Mittag mit seinem Vater bei Menzenfach mit dem Bulldog unterwegs. Der 56-Jährige verreißt plötzlich das Steuer und kommt mit dem Traktor von der Fahrbahn ab. Dabei kippt der Bulldog, der Sohn fällt heraus und wird unter der Kabine eingeklemmt.

Jakob Riedl erinnert sich noch genau: "Es war ein Bild des Grauens. Der Bub lag halbtot unter der Kabine des Bulldogs begraben, sein Gesicht von Scherben zerschnitten. Der Vater stand unter Schock und versuchte, sein verletztes Kind mit den bloßen Händen auszugraben. "

Inzwischen sind mehrere Helfer am Unglücksort eingetroffen. Zuerst suchen die Männer eine geeignete Stelle am gekippten Bulldog, um ihn anzuheben. Martin Reisinger befestigt eine Kette, die Wendelin Reil mitgebracht hat, an der Baggerschaufel. "Wir wussten, was wir tun mussten", sagt Riedl im Gespräch mit unserer Zeitung. So gelingt es, den Bulldog hochzuhieven. Manuel Sigl und Wendelin Reil beginnen sofort, den Buben, der nicht mehr atmet und nur noch einen schwachen Puls hat, zu reanimieren. "Das Schlimme für mich war, dass ich die Familie und den Bub kenne", schildert Riedl, wie nahe ihm das Unglück damals geht.

Und wieder hilft der Zufall: Im nahe gelegenen Hohenwart hat an diesem Tag eine Großübung von Rettungskräften stattgefunden - sie ist gerade zuende gegangen. Ein Notarzt befindet sich auf dem Heimweg, als der Hilferuf kommt. Deshalb erreicht er schnell den kleinen Patienten. Wenig später bringt der Rettungshubschrauber den schwer verletzten Buben ins Krankenhaus. "Als alles vorbei war", meint Riedl heute, "hätte ich fast selber eine Betreuung gebraucht. Ich konnte nächtelang nicht schlafen. " Erst als der Bub über den Berg ist, kommt auch der Lebensretter zur Ruhe. "Er hat uns allen eine Videobotschaft geschickt und sich bedankt, dass wir ihm das Leben gerettet haben. "

Heute werden die fünf Männer aus Pfaffenhofen und Hohenwart in München mit der Christophorus-Medaille ausgezeichnet. Auch Marvin Schlor aus Eichstätt erhält eine: Der Beamte von der Polizeiinspektion Ingolstadt ist am 20. Mai 2018 mit einem Praktikanten auf Streife, als er zu einer reglos in der Donau treibenden Frau gerufen wird. Passanten haben schon versucht, sie zu retten - ohne Erfolg. "Sie schwamm in der Mitte des Flusses mit dem Gesicht nach unten. Damals war Hochwasser. Ich habe meine Uniform und meinen Waffengürtel ausgezogen, dem Praktikanten gegeben und bin ins Wasser gesprungen. " Der junge Mann ist ein guter Schwimmer. "Da hat man nur noch sein Ziel vor Augen und der Puls ist so weit oben, dass man nichts mehr merkt. "

Marvin Schlor schafft es, er bringt die Frau ans Ufer. Kollegen ziehen den leblosen Körper aus der Donau. Zwei Tage später stirbt sie. "Ich weiß aber, ich habe das Bestmögliche getan", sagt der 26-jährige Polizeiobermeister rückblickend. "Meine Freundin ist ganz stolz, und meine Kollegen klopfen mir auf die Schulter. "

Sein Leben riskiert hat Andreas Imhof aus Ingolstadt, der heute mit der Bayerischen Rettungsmedaille ausgezeichnet wird. Am 29. März 2018 bemerkte er, dass eine Frau versucht, sich in Suizidabsicht von einer Brücke auf die Bahngleise und Hochspannungsleitungen zu stürzen. Imhof zögert nicht: Er rutscht zu der Frau auf den Rand eines schmalen Blechdachs, kann sie zurück über das Brückengeländer ziehen und in Sicherheit bringen.

Insgesamt verleiht Ministerpräsident Markus Söder heute im Antiquarium der Münchner Residenz 43 Frauen und Männern die Bayerische Rettungsmedaille und 59 Menschen die Christophorus-Medaille. Mit der Bayerischen Rettungsmedaille wird ausgezeichnet, wer bei der Rettung eines Menschen aus Lebensgefahr sein eigenes Leben eingesetzt hat. Wer jemanden unter besonders schwierigen Umständen aus Lebensgefahr rettet, erhält vom Freistaat Bayern hingegen eine öffentliche Belobigung und die Christophorus-Medaille.

Jüngster Empfänger der Rettungsmedaille ist heuer Kenan Büyükhan aus Nürnberg. Er holte seine kleine Schwester aus dem Auto, nachdem der Hinterreifen Feuer gefangen hatte. Als ältester Nothelfer wird Dietmar Hirschl mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet, der einen verunglückten Schwimmer vom Grund eines Sees rettete.
 

Suzanne Schattenhofer