Ingolstadt
Fünf Jahre "Wer dablost's?"

Jubiläums-Talk im Kulturzentrum neun mit Andreas Hofmeir, Han's Klaffl, Volker Keidel und Verena Richter

23.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:42 Uhr
Talkshow mit Musik: Volker Keidel, Han's Klaffl, Verena Richter und Gastgeber Andreas Hofmeir in der Halle neun. −Foto: Woelke

Ingolstadt (DK) "Du Schlampe?", "Du geisteskranker Vollpfosten?" - Alles kein Problem mehr. Nach einem heftig diskutierten Urteil des Landgerichts Berlin darf man jetzt sein Gegenüber mit Beleidigungen jedweder Art betiteln, ohne dafür belangt zu werden.

Andreas Martin Hofmeir, seinerseits einem derben Spruch mitunter durchaus nicht abgeneigt, kommt das gerade Recht. Also beginnt er die neue Ausgabe seiner Talk-Reihe "Wer dablost's?" im Kulturzentrum Halle neun gleich mal mit der von ihm persönlich überarbeiteten Version eines Klassikers, nämlich der Briefe Mozarts an seine Base, worin es ja, wie man weiß, alles andere als verbal zurückhaltend zugeht und dem großen Wolfgang Amadeus die Vorgänge um die Leibesmitte und das, was hinten herauskommt, viel wichtiger waren als Fragen musikalischer Art.

Natürlich benutzt Hofmeir das Gerichtsurteil nur als Aufhänger für seine satirischen Spitzen, das ist schon klar, und natürlich will er seine Gäste nicht wirklich beleidigen, aber dennoch wird recht schnell offensichtlich, dass die Methode der gezielten Verunglimpfung nur ganz kurz greift und ein gezielter, scheinbar aus dem Nichts geführter, Schlag unter die Gürtellinie nach Art von Gerhard Polt, Sigi Zimmerschied oder Joesi Prokopetz viel effektiver ist als plumpes Dauerbombardement mit Fäkalgeschossen. Hofmeir weiß das natürlich und findet genau die richtige Dosis für seinen Feldzug gegen blindwütige und nicht selten komplett sinnfreie Hasstiraden. Man merkt deutlich, dass er nicht nur als Musiker, sondern eben auch als Kabarettist und Satiriker denkt.

Im Mittelpunkt seiner Show stehen wie immer drei Gäste und mit ihnen diesmal das Wort, das geschriebene, das gelesene und das erzählte. Volker Keidel, an sich wie sein weithin bekannter Kollege Jürgen Roth als Autor ansonsten eher in Sachen Bier und Fußball aktiv, liest zwei Geschichten vor. Die eine behandelt das Thema Elternabend, die andere dreht sich um den Kauf einer Jeans. Dass bei der knochentrockenen Schilderung der beiden Szenen beim Publikum Freude aufkommt, ist verständlich. Schließlich hat das geschilderte Elend jeder schon mal persönlich mitgemacht.

Han's Klaffl tut sich leicht. Er ist Kabarettist und muss nur noch eine passende Sequenz aus einem seiner Programme heraussuchen und vortragen. Und das kann er in der Tat. Lachsalven sind die Folge seiner umwerfenden Komik. Der Unterschied zwischen einer Lesung und dem spritzigen Auftritt eines Kabarettisten ist in der Laustärke des Beifalls abzulesen. Am schwersten hat es Verena Richter, weil ihre Art, mit dem Wort umzugehen, die abgedrehteste ist. Sie vertauscht Konsonanten, Vokale und Umlaute, erfindet für sich die Sprachform "Schütteldeutsch", streift Kurt Schwitters und Ernst Jandl. Man muss sich erst einmal einhören in ihren eigenwilligen sprachlichen Kosmos, dann freilich fühlt man sich darin durchaus wohl. Bis sich dieser Zustand einstellt, ist allerdings die ihr zugebilligte Auftrittszeit auch schon fast wieder um. Höchst originell ist, dass Gastgeber Hofmeir selbst mit einem "starckdeutschen" Text à la Matthias Köppel kontert.

Obwohl der auch an diesem Abend wieder mal vergeblich unternommene Versuch, aus einem verbeulten Uralt-Instrument einen einigermaßen passablen Ton herauszubringen, eigentlich die Grundidee für die Show ist, geraten die Bemühungen um "Rosalinde" fast zur Nebensache.

Auch bei der abschließenden Runde in der Sitzecke steht das Wort im Mittelpunkt. Hier wird besonders deutlich, wie sehr ein Format wie dieses abhängig ist vom Temperament der eingeladenen Gäste. Ein Schweiger, der lieber nichts sagt als ein Wort zu viel, ist da kontraproduktiv. Vor allem Han's Klaffl ist es zu verdanken, dass immer wieder Heiterkeit aufkommt. Anscheinend ist er permanent im Auftritts-Modus, auch wenn er gar nicht wirklich dran ist. Hier ist der Erzähler ganz klar im Vorteil gegenüber dem Schreiber oder dem Vorleser. Damit die Sache nicht allzu einseitig wird, wirft Hofmeir den beiden anderen immer wieder geschickt Bälle zu, schafft Sprechanlässe sozusagen. Bei Klaffl muss er das nicht tun, der findet ihn problemlos selbst.

Und die Musik? Unbedingt erwähnenswert ist die erstklassige Schutter-neun-Band unter der Federführung des Jazzförderpreisträgers Benedikt Streicher. Der schreibt mal eben ein Big-Band-Arrangement für eine Mozart-Sequenz und die Band schmettert die daraus entstandene Rocknummer punktgenau in den Saal wie seinerzeit "Ekseption". Alle Achtung!
 

Karl Leitner