Schnelle Hilfe bei Seelennöten
Fünf Jahre Krisendienst Psychiatrie in Oberbayern: Mehr als 3200 Anrufe aus Raum Ingolstadt

27.10.2021 | Stand 23.09.2023, 21:33 Uhr
Der Krisendienst hilft Menschen in seelischer Not. −Foto: Meier

München/Ingolstadt - Menschen in seelischen Notlagen brauchen Hilfe - manchmal sofort ohne jeden Aufschub. Im Bezirk Oberbayern gibt es dafür den Krisendienst Psychiatrie, er ist in allen 20 Landkreisen sowie den drei kreisfreien Städten, darunter Ingolstadt, präsent.

 

In diesen Tagen feiert das Netzwerk sein fünfjähriges Bestehen. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Die Hilfseinrichtung hatte in dieser Zeit rund 130.000 Telefonkontakte und absolvierte knapp 10.000 Hausbesuche und persönliche Beratungen. Die Nachfrage belegt die Bedeutung des Angebots.

Der Krisendienst im Bezirk ist 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche unter (0800) 6553000 erreichbar. Fast 1000 Fachkräfte sind dafür im Einsatz. In der Region Ingolstadt nutzten bisher mehr als 3200 Betroffene das Hilfsangebot. "Die mobilen Einsätze haben gerade im Kreis Eichstätt zugenommen, dort gibt es keine psychiatrische Klinik. Deshalb ist es wichtig, dass die Menschen dort eine Kontaktmöglichkeit haben", sagt Martin Guth von der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt und in Sachen Krisendienst zugleich Gebietskoordinator für die Region Ingolstadt. Viele Anrufer seien gar nicht mal chronisch krank, sondern befänden sich gerade in einer akuten Überforderungssituation oder komplexen Lebensphase. "Zuhören, im Gespräch entlasten und auf Hilfsstellen hinweisen hilft den meisten schon weiter", berichtet Guth. Eine starke Nachfrage verzeichnete er im Raum Ingolstadt während des zweiten Lockdowns im Herbst und Winter 2020, als es kaum Therapieangebote gab. "Da haben sich manche psychiatrischen Symptome oder familiären Konflikte verschärft."

Der Krisendienst sei "ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung, Entstigmatisierung und Inklusion von Menschen mit seelischen Erkrankungen", sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer anlässlich des fünfjährigen Bestehens. Durch einen frühzeitigen Anruf bei der Leitstelle ließen sich chronische Krankheitsverläufe vermeiden. Die Kooperation mit Polizei und Behörden trage zudem zur Deeskalation von Krisensituationen bei. "Damit lassen sich viele Zwangseinweisungen in die Psychiatrie vermeiden. Wenn sich Menschen in seelischen Krisen freiwillig behandeln lassen, unterstützt das ihre Genesung wesentlich", erklärte Mederer. Der Bezirk finanziert das Angebot mit rund 14,3 Millionen Euro pro Jahr. Der Freistaat Bayern steuert etwa 3,1 Millionen Euro für die Kosten der Leitstelle bei.

Allein im ersten Halbjahr 2021 haben 14.300 Menschen aus ganz Oberbayern beim Krisendienst Psychiatrie angerufen. Der stärkste Monat war der Januar mit 2499 Hilferufen. In 63,7 Prozent der Fälle meldeten sich Betroffene selbst, deren Angehörige machten 21,3 Prozent aus. Polizei und Kreisverwaltungsbehörden kamen auf 5,9 Prozent, diverse Fachstellen auf 3,7 Prozent. Gespräche mit Betroffenen dauern im Mittelwert knapp 24 Minuten, mitunter auch länger als eine Stunde. Besuche vor Ort sind im Schnitt nach knapp 95 Minuten zu Ende, im Extremfall waren es sogar mehr als sechs Stunden.

DK

Horst Richter