Kösching
Frust im Köschinger Steinbruch

18.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:55 Uhr

Anspannung bei jungen und älteren Fußballfans: Enttäuscht waren nicht nur Michaela Plank und ihre Töchter über die Niederlage der Deutschen gegen Serbien, sondern auch weitere rund 230 Besucher des Public Viewings in der Köschinger Sandlagerhalle. - Foto: K. Heimisch

Kösching (DK) Das war nix. 230 fassungslose und enttäuschte Gesichter in der Köschinger Sandlagerhalle. Nach der 0:1-Schlappe der deutschen Nationalelf gegen Serbien bei der Fußball-WM ist am Freitag die schwarz-rot-goldene Euphorie im Markt jäh gestoppt worden.

Die Chronik eines aufwühlenden Fußballnachmittags:
 

13.16 Uhr: Noch 13 Minuten bis zum Anpfiff des zweiten Vorrundenspiels für die Nationalmannschaft. Immer mehr Köschinger und Kasinger – sie sind überwiegend um die 20 – strömen zum Public Viewing in die fast völlig abgedunkelte Halle im Steinbruch. Viele kommen im Deutschlandtrikot und haben Fahnen und andere Fanartikel dabei. Im vorderen Bereich der geräumigen Halle sind bereits alle Bänke besetzt.

13.22 Uhr: Die ohrenbetäubende Discomusik aus den Boxen verstummt. Spieltipps machen die Runde. Der Köschinger Stefan Ilmberger (22), der mit seinem gleichaltrigen Freund Mathias Schmidt und mit Christian Pfaller (18) an einem Bistrotisch steht, meint: "Wir gewinnen mit drei zu eins."

13.29 Uhr: Anstoß in Port Elizabeth. Alle Besucher in der rauchgeschwängerten Sandlagerhalle blicken gebannt auf die drei Meter breite und zwei Meter hohe Großleinwand. Das Mitfiebern beginnt.

13.36 Uhr: Gute Torchance für Lukas Podolski. Starker Beifall unterbricht die bislang herrschende Stille.

14.06 Uhr: Gelb-Rote Karte für Miroslav Klose nach einem Foul. "Schiri, Du bist ja nicht sauber!", schreit Christian Pfaller. Das lautstarke Pfeifkonzert im mittlerweile dampfigen Raum zeigt: Die jungen Leute sind mit der Entscheidung des Schiedsrichters alles andere als zufrieden. Das Desaster beginnt.

14.07 Uhr: Milan Jovanovic schießt das 1:0 für Serbien. Entsetzen in Kösching. "Das war ein klarer Fehler von Mertesacker", entrüstet sich Mathias Schmidt und giftet: "Da spielt ja Ingolstadt noch besser."

14.14 Uhr: Sami Khedira schießt an die Latte – kollektiver Aufschrei in der Halle, in der inzwischen dicker Bierdunst herrscht. Ein Mädchen neben dem Bistrotisch rauft sich die Haare.

14.14 Uhr: Halbzeit. Viele strömen zum Biernachfassen an die Bar oder zum Qualmen nach draußen. Nicht so Michaela Plank (38) aus Kösching, die mit ihren drei Töchtern im Alter zwischen neun und 13 Jahren und zwei Vuvuzelas gekommen ist (diese bleiben aber unbenutzt auf dem Tisch stehen). Vanessa, eines ihrer Kinder, ist enttäuscht: "Die Deutschen sollen mehr Torchancen haben", findet die Elfjährige, die in der U 15-Damenmannschaft de FC Ingolstadt kickt.

14.26 Uhr: Die drei Kumpels diskutieren vor allem über die Leistungen des Schiedsrichters.

14.30 Uhr: Das WM-Spiel geht weiter.

14.43 Uhr: Kapitän Philipp Lahm schießt knapp am Tor vorbei. Hunderte recken ihre Hände nach oben. "Deutschland, Deutschland!" hallt es durch die Halle.

14.46 Uhr: Lukas Podolski verschießt einen Handelfmeter. Geschockt wie das DFB-Team zeigt sich dann auch die Fangemeinde im Markt. Die drei Freunde, die sich beim Strafstoß noch umarmt haben, ziehen über "Poldi" her. "Da hätte doch Schweinsteiger schießen müssen", findet Christian Pfaller.

15.06 Uhr: Frenetischer Beifall in der Sandlagerhalle nach einer guten Chance der Deutschen.

15.15 Uhr: Schluss. Aus. Ende. Deutschland hat verloren. Geknickt drehen sich die meisten Besucher weg und flüchten nach Hause. Die drei Freunde analysieren die Partie. "Die Deutschen haben viel zu defensiv gespielt. Der Platzverweis hat die Mannschaft besonders geschwächt", sagt Christian Pfaller. Und Mathias Schmidt findet: "Das war nicht die Mannschaft, die wir gegen Australien gesehen haben. Das Selbstvertrauen hat gefehlt."

15.20 Uhr: Dietmar Pfaller vom Kulturklub Kösching, der das Spektakel veranstaltet hat, ruft durch die Halle: "Bleibt’s noch alle da. Wir machen jetzt Frustsaufen!" Doch auf die angekündigte WM-Party, die am vergangenen Sonntag nach dem Sieg dvon Jogis Jungs noch bis in die Morgenstunden gedauert hat, hat an diesem Tag fast keiner mehr Lust.