Frust For Future

Klimademo in Ingolstadt - Enttäuschung über Politik mobilisiert doppelt so viele Teilnehmer wie erwartet

24.09.2021 | Stand 23.09.2023, 20:58 Uhr
?AlleFürsKlima: Weltweit gingen am Freitag Demonstranten für eine konsequente Klimapolitik auf die Straße. Auch in Ingolstadt formierte sich ein Protestzug durch die Stadt und über die Ringstraße. Die Zahl der Teilnehmer wird auf rund 700 geschätzt. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Es sind eher trübe Aussichten, die am Freitag auch in Ingolstadt bei schönstem Spätsommerwetter Hunderte auf die Straße getrieben haben.

Der Theatervorplatz war zum Auftakt des örtlichen Klimastreiks gut gefüllt. 350 Teilnehmer hatten die Veranstalter der hiesigen Fridays-For-Future-Gruppe angemeldet. Ihre Zahl dürfte sich im Laufe des Nachmittags aber eher der 700 angenähert haben. Der Frust ist offenbar groß. Und die Enttäuschung angesichts eines Bundestagswahlkampfes, in dem das Thema Klimawandel nicht die Bedeutung erfahren hat, die nach Meinung der Aktivisten angebracht wäre.

Als Konsequenz haben die Ingolstädter Organisatoren bewusst keine Vertreter der etablierten Politik zu Redebeiträgen eingeladen. Auch Fahnen und andere Parteiabzeichen waren unerwünscht. Toni Hofreiter, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, blieb denn auch auf Abstand und verabschiedete sich nach seinem Wahlkampfauftritt in der Fußgängerzone schnell Richtung Pfaffenhofen. "Die Organisatoren des dortigen Klimastreiks haben sich entschieden, ein möglichst breites Spektrum abzubilden, indem sie viele Politiker zu Wort kommen lassen", erklärte Benedikt Schmitz, einer der Sprecher der Ingolstädter FFF-Gruppe. "Wir wollen lieber eigene Inhalte vermitteln und nicht irgendwelchen Parteien im Wahlkampf eine Plattform bieten. "

Auf der Rednerbühne ging unter anderem Rike Goldberg von FFF hart mit der Politik ins Gericht. Es sei "absurd" von einer "Klimawahl" zu sprechen, wenn in keinem der vorgelegten Wahlprogramme Maßnahmen enthalten seien, die geeignet sind, das Ziel des Pariser Klimaabkommens - eine durchschnittliche Temperaturerhöhung von höchstens 1,5 Grad - einzuhalten. Auch den Grünen sprach sie ab, eine "Ökopartei" zu sein. Dennoch rief Goldberg dazu auf, am Sonntag zur Wahl zu gehen und für das kleinste Übel zu stimmen. Wer noch nicht wahlberechtigt ist, solle Erwachsene dazu motivieren, ihre Stimme abzugeben. Wichtig sei vor allem, rechte Parteien nicht stark werden zu lassen.

Auch Sarah Hochholzer, Bufdi beim Bund Naturschutz in Ingolstadt, forderte "drastische Maßnahmen" im Kampf gegen den Klimawandel. Paul Kaliski erinnerte in seinem Beitrag daran, dass der Klimawandel längst Realität sei und "nicht ein Problem, das uns in 50, 100 oder 200 Jahren trifft". Vor allem in ohnehin schon benachteiligten Ländern seien die Auswirkungen bereits dramatisch. Alina Rudolf von FFF machte klar, dass - nicht zuletzt bei der verheerenden Flut im Juli - auch in Deutschland längst die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren seien.

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Viel Hoffnung in die Politik hegen die Aktivisten nicht. Eine klimagerechte Welt sei im Kapitalismus ohnehin kaum vorstellbar, so Rudolf. "Unser Wirtschaftssystem ist auf ewiges Wachstum ausgerichtet", erklärte sie. "Wie soll das funktionieren, wenn die Ressourcen endlich sind? " Goldberg rief deswegen zu Solidarität und einer Bewegung aus der Zivilgesellschaft heraus auf. "Veränderungen wurden nie gewählt, sondern immer erkämpft. "

Dass die anfängliche Jugendbewegung Fridays For Future längst zum gesamtgesellschaftlichen Phänomen geworden ist, zeigte sich beim Blick in die Reihe der Demonstranten. "Ich bin hier, weil ich mich mit der Bewegung solidarisieren will", erklärte ein Herr Jahrgang 1962 im Gespräch mit dem DONAUKURIER, als sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte. Schließlich müssten die jungen Leute noch länger mit den Konsequenzen einer verfehlten Umweltpolitik leben als jene, die die falschen Entscheidungen einmal gefällt haben. Für ihn sei es deswegen ganz selbstverständlich, dass das Wahlalter herabgesetzt werden muss. "Es geht schließlich um die Zukunft der jungen Leute. Dann müssen sie auch mitentscheiden dürfen", argumentiert er.

Ähnlich sieht das Johann Geier, der beim Demozug als Ordner im Einsatz war und sich unter anderem bei Transition Town engagiert: "Ich bin hier aus Sorge um meine Enkel. " Geier teilt den Frust mancher Klimaaktivisten. "Irgendwann hat man selber alles getan, was man kann", sagt er. "Und dann ist der ÖPNV so schlecht ausgebaut, dass man doch mit dem Auto fahren muss. " Die aktuelle Politik stimme ihn im Blick auf den Klimawandel deswegen "eher pessimistisch", sagt er. Er hofft auf eine Bewegung jenseits von Parteien und Parlamenten. "Ich hoffe auf die Zivilgesellschaft. Wenn alle mitmachen, können wir etwas erreichen", ist er überzeugt.

DK

Johannes Hauser