Nürnberg
Frühe Prägung für den Fan-Nachwuchs

In Nürnberg gibt es nun einen Club-Kreißsaal – Nach der Geburt bekommen die Eltern eine Urkunde mit dem Titel "Volltreffer"

15.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:25 Uhr

Nürnberg (DK) In den richtigen Farben auf die Welt kommen: Im neuen Kreißsaal des Nürnberger Südklinikums ist das ab sofort möglich. Dort können Babys ganz in den Farben des 1. FC Nürnberg geboren werden.

Nein, ein Witz ist es nicht. Auch wenn es bei der Vorstellung des neuen Club-Kreißsaals gestern in Nürnberg äußerst heiter zugegangen ist. Kinder können im Klinikum im Süden der Frankenmetropole ab sofort tatsächlich unter dem Banner des ruhmreichen Traditionsvereins 1. FC Nürnberg das Licht der Welt erblicken.

An der Tür prangt das Vereinswappen. An den Wänden hängen Fotos von Kindern, die den Traditionsverein schon in jungen Jahren leidenschaftlich anfeuern. Ein Schriftzug in den rot-schwarzen Vereinsfarben heißt die Neulinge auf der runden Fußballerde willkommen. „Die Club-Spiele werden aber noch nicht direkt in den Kreißsaal übertragen“, sagt Alfred Estelmann, Vorstand des Klinikums Nürnberg, und erntet dafür ein spontanes Gelächter der versammelten Presseleute. Nach der Geburt erhalten die Eltern eine Urkunde mit dem doppeldeutigen Titel „Volltreffer“. Auch kein Witz: Den Babys soll ein Lätzchen in den Farben des Fußballvereins nach dem ersten Schrei um den kleinen Hals gehängt werden.

Allen Fußballfans recht machen kann es das Klinikum freilich trotzdem nicht. Die Fans des FC Bayern München müssen beispielsweise während der Geburt den Erzrivalen kurzzeitig verdrängen oder in einen der anderen vier fußballtechnisch neutralen Kreißsäle ausweichen. Nur Fürther Fans dürfen sich freuen. Ab dem 1. Januar verwöhnt das Klinikum Fürth seine Neugeborenen mit einem Starterset für zukünftige Greuther-Fans inklusive Kleeblatt-Strampler. Kreißsäle in Vereinsfarben gibt es bislang nur in fußballverrückten Städten wie Gelsenkirchen, Dortmund oder Mönchengladbach.

Club-Anhänger reagieren dementsprechend euphorisch auf den neuen Club-Kreißsaal. „Das ist ja Hammer. Spitzenidee. Schade, dass es diesen Kreißsaal noch nicht gegeben hat, als ich meine zwei Mäuse geboren habe“, schreibt eine offensichtliche Club-Anhängerin auf der Seite des Klinikums in einem sozialen Netzwerk. Eine andere Unterstützerin der rot-schwarzen Fußballer schreibt: „Sau geil! Wenn ich mal a Kind bekomm` dann fahr ich extra nach Nürnberg.“ Freilich gibt es auch kritische Stimmen. Mit der Niederkunft könne man als echter Clubberer nicht früh genug beginnen, findet ein Fußballfreund mit Verweis auf die vielen Abstiege des derzeit in der Zweiten Bundesliga recht erfolgreich kickenden Vereins.

„Eine Frau interessiert sich nicht für die Farben im Kreißsaal“, ist sich dagegen Kristina Schröder sicher. Die Herren der Schöpfung würden vielleicht eher die beruhigende Wirkung der Vereinsfarben bei der Entbindung benötigen, meint die Pflegedienstleiterin der Geburtshilfe. Auch Cosima Brucker, die Chefärztin der Station, glaubt fest daran, dass die Vereinsfarben besonders für die emotionale Unterstützung der Männer wichtig sein können. Freilich hat der neue Club-Kreißsaal auch einen ernsthaften Hintergrund. Schließlich kämpfen Krankenhäuser mit Entbindungsstationen um die Gunst der werdenden Eltern. „Es gibt inzwischen einen regelrechten Kreißsaal-Tourismus“, sagt Cosima Brucker. Einmal in der Woche strömen potentielle Patienten auch in die fünf Kreißsäle des Südklinikums. Vor der Geburt hätten Eltern eine „idealisierte Vorstellung“. Deswegen habe auch das Südklinikum die sterilen Fliesen an der Wand gegen bunte Tapeten ausgetauscht.

Diesem Wettbewerb um die schönste „Wellness-Atmosphäre rund um die Geburt“ müsse man sich stellen, ist sich Klinikvorstand Estelmann sicher. Hinter der neuen Lockerheit im Kreißsaal steckt wirtschaftliches Kalkül. Schließlich könnten medizinische Angebote nur bei ausreichender Auslastung angeboten werden, ist sich Estelmann sicher. Auch der Club erhofft sich von dem neuen Kreißsaal einen Imagegewinn. Mit der Prägung auf die Vereinsfarben könne nicht früh genug begonnen werden, findet Club-Vorstand Michael Meeske.

Chefärztin Cosima Brucker freut sich, dass in der Frauenheilkunde nicht mehr alles „so tierisch ernst“ gesehen werde. Dennoch bleibe ihre Hauptaufgabe, dafür zu sorgen, dass die Geburten ohne Komplikationen verlaufen. Apropos: Sicher können sich werdende FCN-Eltern nicht sein, dass der Club-Kreißsaal zum gewünschten Zeitpunkt frei ist. Dazu gehört genauso wie beim Elfmeter etwas Glück. Aber die fußballbegeisterten Eltern werden es sportlich nehmen nach dem Motto: Dann klappt es vielleicht beim nächsten Mal.