Front gegen die "subpolitische Ortsregierung"

22.07.2009 | Stand 03.12.2020, 4:47 Uhr

Der Verkehr spaltet Friedrichshofen: Die enorme Belastung durch die Bundesstraße (Bildmitte) spielt die Hauptrolle bei jeder Bürgerversammlung. Doch ob mit einer neuen Erschließungsstraße zum Klinikum Abhilfe geschaffen werden kann, ist mehr denn je umstritten. Rechts unten im Bild die Großmärkte am Westpark. - Foto: Schalles

Ingolstadt (DK) Schade eigentlich, dass Friedrichshofen keinen Bürgermeister mehr hat. Dann wäre nämlich klar, wer der legitime Interessenvertreter des Stadtteils ist. Die ortsansässigen Stadträte sind dafür ja oft nur ein schwacher Ersatz. Wie gut, dass es den Lehrer Georg Niedermeier gibt, der seit vielen Jahren nicht nur die Friedrichshofener Bürgerinitiative (FBI) anführt, sondern auch allgemein als die Stimme Friedrichshofens gilt.

Vor ein paar Tagen lag im Briefkasten des FBI-Sprechers ein Schreiben, das diese Rolle mehr als nur in Zweifel zieht. Der in Friedrichshofen ansässige Psychotherapeut Christoph Riedel nimmt in dem Brief kein Blatt vor den Mund: "Ehrlich gesagt: Mir erscheint die FBI schon lange als eher verschroben provinziell – und nicht wirklich politisch relevant." Die FBI samt ihres "lauten und etwas überwertig profilorientierten Sprechers, Herrn Niedermeier" verwechsle wohl "bürgerliche Interessenvertretung und subpolitische Ortsregierung". Riedels Fazit: "Sie vergessen einfach, dass Sie alle in der FBI nie zur Vertretung der Interessen aller Bürger gewählt und damit demokratisch legitimiert worden sind."

Der scharfe Ton des Niedermeier-Kritikers verrät, dass in Friedrichshofen irgend etwas vorgefallen sein muss. Tatsächlich hatte der FBI-Anführer zuvor ein Flugblatt im Ort verteilt und damit auf "Vorkommnisse" bei einer CSU-Versammlung mit Bürgermeister Albert Wittmann am 1. Juli reagiert. Thema: natürlich der Verkehr.

Überraschenderweise war Wittmanns Ankündigung, von Westen her eine neue Erschließungsstraße zum Klinikum zu bauen, von den Friedrichshofenern keineswegs mit Beifallsstürmen bedacht worden. Ganz im Gegenteil. In der Versammlung warnten einige Bürger davor, das unberührte Naherholungsgebiet westlich des Stadtteils zu zerstören.

Dies wiederum rief Niedermeier auf den Plan, der sich an dem Diskussionsabend in Sachen Entlastungsstraße kurz vor dem Ziel gesehen hatte und nun plötzlich heftigen Gegenwind verspürte. Ein Wort gab das andere. Es hagelte gegenseitige Vorwürfe, einer warf dem anderen Egoismus vor. Jedenfalls konnte Kämmerer Wittmann am Schluss beim besten Willen keine einheitliche Linie der Friedrichshofener Bürger erkennen. Ja es schien eher so, als sei der Ort in dieser Frage tief gespalten.

"Ausgerechnet eine Gruppe von Personen", legte Niedermeier in seinem besagten Flugblatt nach, "nicht von der Levelingstraße, fühlt sich von dieser Maßnahme (der geplanten Entlastungsstraße, d. Red.) in ihrem Freizeitverhalten gestört." Und weiter: "Sie verschweigen in egoistischer Weise in ihrer Unterschriftensammlung den enormen Vorteil für das Rettungswesen. Im Notfall geht es um Minuten!"

Zu den Egoisten im Niedermeierschen Sinne zählt an führender Stelle Christl Kutscha, Tochter des verstorbenen SPD-Stadtrats Heiner Gruber und Frau des früheren SPD-Unterbezirksvizes Dieter Kutscha.

Christl Kutscha und Margarete Schweiger, die Frau des Hochschulpräsidenten, wurden nach der turbulenten CSU-Versammlung aktiv. "Ich hab’ gedacht, ich muss unbedingt was tun", sagte Kutscha gestern zum DK. "Das ist ein einzigartiges Naherholungsgebiet, wirklich wunderschön, das wertet ganz Friedrichshofen auf." Eine Straße mittendurch wäre ein "viel zu hoher Preis" für einen eher "kleinen Nutzen", die kaum spürbare Entlastung der Bundesstraße. Inzwischen haben die beiden Frauen 500 Unterschriften im Rathaus übergeben. Vielleicht hilft jetzt nur noch ein Machtwort der Stadtspitze. Dort gibt es ja neuerdings einen Spezialisten für Verkehrsfragen.