Ingolstadt
"Friedrich war eben kein totaler Krieger"

Ein Preußenexperte im Bayerischen Armeemuseum: Daniel Hohrath über die wahre Größe des alten Fritz

26.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:54 Uhr

Fünf Kilo Fritz: So viel wiegt Daniel Hohraths zweibändiges Werk über die Uniformen im Heer Friedrichs II. Der Historiker ist ein neuer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bayerischen Armeemuseum. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Sein jüngstes Werk – zweibändig und fast fünf Kilo schwer –, ist noch rechtzeitig zum großen Ehrentag fertig geworden: Daniel Hohrath, neuer wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bayerischen Armeemuseums, hat „Friedrich der Große und die Uniformierung der preußischen Armee“ diese Woche in Berlin vorgestellt, wo er am Festakt für den König teilnahm, der am 24. Januar vor 300 Jahren geboren wurde.

Im Gespräch mit Christian Silvester erklärt Hohrath, wie bedeutend Friedrich II. wirklich war.

 

Wem galt beim Festakt in Berlin das größere Interesse: dem alten Fritz oder Christian Wulff?

Daniel Hohrath: Das Interesse der Presse galt vor allem dem Bundespräsidenten, also ob er etwas sagt, woraus etwas über seine eigene Rolle geschlossen werden könnte. Das hat er nicht. Insgesamt ist Wulffs Rede nicht sonderlich aufgefallen.

Und? Wurde Friedrichs nun angemessen gedacht?

Hohrath: Es war ein recht gelungener Festakt. Die Rede des australischen Historikers Christopher Clark war brillant! Schön war auch der Auftritt des Prinzen von Preußen, Georg Friedrich, der eine persönliche Rede über Friedrich hielt. Es ging jedenfalls nicht über Friedrich als nationales Vorbild.

Aber auch diese Frage stellt sich doch bei einer so ambivalenten Herrscherfigur!

Hohrath: Es war erfreulich, dass sich alle Politiker zurückgehalten haben. Es wurde natürlich ausführlich an seine Toleranz erinnert. Dass in seinem Staat jeder nach seiner Fasson selig werden könne, wurde fünf oder sechs Mal von drei Rednern zitiert. Es ist insgesamt ein guter Eindruck, dass man heute in der Lage ist, Friedrich als Mensch seiner Zeit zu akzeptieren, und auch nicht mehr die kleinlich-kleingeistige deutsche Diskussion führen muss, ob man ihn nun den Großen nennen darf.

Mich würde dennoch interessieren, wie groß er wirklich war.

Hohrath: 1,57! Das wissen wir ziemlich genau. Aber im Ernst: Friedrich war nach den Maßstäben seiner Zeit als Herrscher zweifellos ein Großer. Er ist von seinen Zeitgenossen so genannt worden, er wollte das auch selber sein und hat das planmäßig verfolgt. Es war gelungenes Selbstmarketing. Er hat es geschafft, in die Geschichtsbücher einzugehen – unter Opfern, die er selber erbracht hat, die er aber auch sein Land und seine Untertanen hat bringen lassen.

Darunter 400 000 tote Preußen in drei Kriegen.

Hohrath: Er war nicht in jeder Hinsicht ein sympathischer Zeitgenosse. Aber die Bezeichnung als Großer beinhaltet das auch nicht unbedingt.

War er denn auch ein großer Feldherr? Von 16 Schlachten des Siebenjährigen Krieges hat er die Hälfte verloren, Preußen stand mehrfach am Abgrund.

Hohrath: Er war ein guter Feldherr, hat aber auch große Fehler gemacht. Immerhin hatte er gute Offiziere, die seine Fehler ausgeglichen haben. Und er hat es geschafft, mit seinen frühen Siegen immensen Respekt zu erwerben! Das diente nicht seiner Eitelkeit, das war ein Mittel zum Erfolg. Seine Gegner haben ihn in schwachen Momenten nicht angegriffen, weil sie sich das gegen den größten Feldherrn nicht getraut haben.

Das ist sicher auch besser so, wenn man sich wie er zugleich mit Österreich, Frankreich und Russland anlegt. Da passte seine Parole „Sieg oder Untergang!“.

Hohrath: Das darf man nicht überschätzen. Seine Reden sind kaum im Original überliefert. Er hat das glaube ich auch nicht so extrem gesehen, wie es heute auf viele wirkt. Er war eben kein totaler Krieger des 20. Jahrhunderts. Er war immer wieder verzweifelt, hat mit sich gerungen, aber er hatte natürlich auch einen Sinn für dramatische Auftritte! Doch er sah stets den Krieg als Vorbereitung des diplomatischen Friedensschlusses.

Apropos Frieden: Was kann ein Armeemuseum den Menschen heute sagen? Und was muss es den Menschen heute sagen?

Hohrath: Es ist wichtig, diesen Teil der Geschichte in allen Facetten zu zeigen, die Wege und Abgründe der kriegerischen Gewalt, von der wir heute hoffentlich vieles überwunden haben. Es ist sicher auch eine Aufgabe, das Militär in der früheren Gesellschaft zu zeigen. Es waren ja genauso unsere Vorfahren. Das Problem von Militärmuseen ist allerdings: Waffen und Uniformen faszinieren natürlich auch, doch ich glaube, das dürfen sie. Es geht auch darum zu zeigen, dass sie einmal fasziniert haben, dass sie Eindruck gemacht haben, dass sich Herrschaft und Staat damit präsentierten.

Welches Exponat im Armeemuseum fasziniert Sie?

Hohrath: Ich mag die Holztafeln aus dem 18. Jahrhundert, die lebensgroße bayerische Soldaten darstellen. Sie dienten der Anwerbung neuer Soldaten. Das zeigt, wie man versucht hat, Militär attraktiv zu machen. Interessanterweise ist das jetzt nach dem Ende der Wehrpflicht auch wieder ein Thema.