Wettstetten
"Frieden ist so nicht in Sicht"

Gemischte Gefühle im Wettstettener Siedlungsgebiet über Gesetzesentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge

13.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:54 Uhr

Wettstetten (DK) Der von der CSU-Fraktion am Mittwoch im Bayerischen Landtag eingebrachte Gesetzesentwurf zur Änderung der Kommunalabgabengesetzes - und damit zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge - wirft auch in Wettstetten Fragen auf. Die Straßenerneuerung im sogenannten Siedlungsgebiet begann 2016; sie wird voraussichtlich im Sommer dieses Jahres beendet und ist bisher nicht endgültig abgerechnet.

Für alle bereits endgültig ergangenen Bescheide ist die Lage nach dem neuen Gesetzesentwurf unkompliziert: Bei bis zum 31.Dezember 2017 erlassenen Bescheiden bezahlten größtenteils die Grundstückseigentümer die Kosten für die kommunalen Straßenausbauprojekte entsprechend der jeweiligen Gemeindesatzung (abzüglich eines dort festgesetzten Eigenanteils der Kommunen). Sollten Kommunen seit dem 1. Januar 2018 noch Bescheide verschickt haben, werden diese aufgehoben und bereits bezahlte Beträge zurückerstattet. Die Straßenausbaubeiträge sind rückwirkend zu diesem Datum abgeschafft.

Diese beiden Fälle treffen für das Wettstettener Siedlungsgebiet aber nicht zu. Hier hat die Gemeinde Ende November Vorausleistungsbescheide erlassen. Endgültige Bescheide konnten zum Jahresende 2017 noch nicht erstellt werden, da die Arbeiten zum Teil bis heute noch nicht abgeschlossen sind - eine Voraussetzung für endgültige Bescheide. Den Vorausleistungsbescheiden liegt die Kostenschätzung für das Gesamtprojekt - abzüglich des Gemeindeanteils von 30 Prozent - zugrunde. Von diesen geschätzten Kosten (auf die Quadratmeteranzahl des Grundstücks umgerechnet) sind in den Vorausleistungsbescheiden 40 Prozent veranschlagt worden. Eine vom Wettstettener Gemeinderat für die Handhabung im Ort beschlossene Zahl. Die Vorausleistungsbescheide bezahlten die Grundstückseigentümern, wie Bürgermeister Gerd Risch bestätigt. Je nach Grundstücksgröße handelt sich dabei um Beträge zwischen 1400 und 12800 Euro.

Der CSU-Gesetzesentwurf sieht für diesen Fall nun vor, dass die Kommunen, die eine Beitragssatzung haben und bis zum 31. Dezember 2024 ihre Ausbauprojekte endgültig fertigstellen, die Beiträge, die sie von den Grundstücksanliegern noch hätten verlangen können, vom Freistaat erstattet bekommen. Die bereits von den Anliegern bezahlten Vorausleistungen verbleiben bei den Kommunen. Das heißt, die Anlieger bekommen sie nicht zurückerstattet. "Das halte ich für eine sehr unschöne Lösung. Vor allem wirkt der Gesetzgeber der von ihm beabsichtigen Befriedung der Situation damit selbst entgegen. Im Gegenteil: Er produziert nur neuen Ärger", sagt dazu Risch. Ein sauberer Schnitt wäre seiner Ansicht nach viel besser gewesen: "Was zum 31. Dezember 2017 an Endabrechnungen gestellt wurde, wäre dann nach dem alten System abgerechnet worden; ab 2018 übernehmen die Kommunen die Kosten für den Straßenausbau und erhalten dafür vom Freistaat einen Finanzausgleich. Punkt. Das wäre eine klare Regelung gewesen - ohne die Einbeziehung der Vorausleistungen", findet der Bürgermeister. Letztendlich sei die Lage in Wettstetten reiner Zufall - und auch die veranschlagten 40 Prozent der geschätzten Gesamtkosten als Vorauszahlung seien nach Gutdünken vom Gemeinderat festgelegt. Das könne jede Gemeinde anders handhaben. Es scheide allerdings auch aus, die Vorausleistungen freiwillig zurückzuzahlen: "Das darf ich nicht. Ich kann dem Bürger nur geben, was ihm dem Gesetz nach zusteht", so Risch.

46 Grundstückseigentümer aus dem Siedlungsgebiet haben gegen die Ende November ergangenen Vorausleistungsbescheide allerdings noch im alten Jahr Widerspruch eingelegt. Die ändern zwar nichts an der Zahlungspflicht. "Aber wir werden jetzt unsere Widersprüche begründen und hoffen, dass die Bescheide nichtig sind und neu gemacht werden müssen. Neue fielen dann unter das neue Gesetz, und damit müssten wir nicht zahlen", meint Andreas Gifhorn von der Bürgerinitiative "Gerechte Straßenausbaubeiträge", die beim Bürgerentscheid zum Abrechnungsmodus der Straßenausbaubeiträge in Wettstetten im März 2017 aktiv war.

Das sieht der Bürgermeister anders: "Selbst wenn sich Berechnungsfehler in den Bescheiden finden, werden diese deshalb nicht insgesamt aufgehoben, sondern korrigiert. Dann bleibt den Anliegern natürlich noch der Weg zum Gericht. Aber das zieht sich. Frieden ist so nicht in Sicht." Der vorgelegte Gesetzesentwurf soll spätestens im Juli in Zweiter Lesung im Landtag beraten werden. Das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens bleibt also noch abzuwarten. "Vielleicht passiert da ja noch was", hofft Risch. Grundsätzlich gilt wohl in Zukunft: Zugunsten der entlasteten Anlieger wird der Steuerzahler die Straßenausbaumaßnahmen finanzieren.

Die Stimmung im Siedlungsgebiet ist insgesamt gemischt: Hat man nun 60 Prozent gespart und sollte froh darüber sein? "60 Prozent gespart hat man auf jeden Fall, aber ob das ein Grund zur Freude ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Übergangsregelungen sind nie ideal. Immer wenn eine neue Gesetzgebung kommt, wird das von irgendjemandem als ungerecht empfunden", sagt Gifhorn. Grundsätzlich findet er es aber eine "hervorragende Lösung", dass sich der Bayerische Staat mit dem neuen Gesetz, so es denn in dieser Form wirklich verabschiedet wird, dafür entschieden habe, allzu große Belastungen und vor allem die Ungerechtigkeiten bei der Abrechnung zu beseitigen. Erst einmal hofft er noch, dass die eingelegten Widersprüche anerkannt werden.

Daniela Heine, selbst mit dem größten und dazu an zwei Straßen liegenden Grundstück betroffen, nimmt auch Stellung: "Klar kann man sagen, dass man 60 Prozent gespart hat. Aber wenn man wie ich eine Vorausleistung von 12812 Euro überweisen musste und weiß, wenn der Bescheid fünf Wochen später rausgeschickt worden wäre, hätte man gar nichts bezahlen müssen - dann fühlt sich das nicht wie sparen an."

Anne Gülich