Nürnberg
Freunde fürs Leben

Hinreißend: "Nur ein Tag" von Martin Baltscheit am Theater Mummpitz

15.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:40 Uhr
Auf der Suche nach dem Glück: Stefan Drücke und Christine Mertens als Wildschwein und Fliege im Theater Mummpitz. −Foto: Riese

Nürnberg (DK) Wenn man nur noch einen Tag zu leben hätte - wie würde man diesen Tag verbringen? Dieses Thema spielt Martin Baltscheit in seinem Kinderstück "Nur ein Tag" durch - und wählt als zentrale Figur eine Eintagsfliege.

Die schlüpft an einem frühen Morgen im Mai an einem Weiher im Wald, ausgerechnet da, wo Wildschwein und Fuchs wohnen. Eigentlich wollen sich beiden verdrücken, denn wie sollen sie das zarte Wesen damit konfrontieren, dass es morgen schon nicht mehr da ist? Aber dann bleiben sie und verlieben sich und retten sich - gefragt nach dem Grund ihrer Traurigkeit - in eine Notlüge. Sie erzählen der kleinen Fliege, dass der Fuchs diesen Tag nicht überleben wird. Das rührt die Fliege und sie beschließt, dass in diesen letzten Tag eben das ganze Leben muss - und das ganze Glück!

Eine tiefgründige Fabel über den Sinn des Lebens ist das Stück "Nur ein Tag", das Regisseurin Andrea Maria Erl für Kinder ab sechs Jahren nun auf die Bühne des Theaters Mummpitz in Nürnberg gebracht hat - komisch und berührend zugleich. Die Premiere am Samstag wurde mit großem Applaus bedacht.

Schon wie sie die Figuren zeichnet, ist ganz zauberhaft. Denn Wildschwein, Fuchs und Fliege sind sehr menschlich. Und das nicht nur in Kleiderfragen. André Schreiber hat das Wildschwein mit Lederhose und Trachtenhut ausgestattet, der Fuchs trägt einen eleganten Dreiteiler in Braun-Rot-Tönen und die Fliege eine riesige Sonnenbrille zur rasanten roten Fliegermütze. Auf Caroline Forischs wandelbarer Bühne zwischen Hochsitz, Fuchsbau-Camp und hölzernem Weihersteg lässt Regisseurin Andrea Maria Erl die drei spielen - und zwar im doppelten Wortsinn.

Denn zunächst mal überlegen die Tiere, was ein glückliches Leben überhaupt ausmacht. Hühner jagen, sagt der Fuchs. Etwas lernen, sagt die Fliege. Heiraten, Familie sein. Und wie im Kinderzimmer machen sich Michael Bang, Stefan Drücke und Christine Mertens daran, all das sofort und höchst erfinderisch umzusetzen. Hinreißend ist das, zumal Martin Baltscheits Dialoge einfach irrwitzig komisch sind. Natürlich wird zwischendrin auch mal gestritten. An den Hühner darf der Fuchs bitte schön nur mal schnuppern! Schule ist irgendwie doof. Keiner will die Braut sein. Es ist Kinderspiel, Kinderfantasie - anmutig, ernsthaft, herzzerreißend, skurril von den Schauspielern umgesetzt.

Dann verplappert sich der Fuchs - und die Sache fliegt auf. Wutentbrannt haut die Fliege ab, hat sie doch ihren einzigen und letzten Tag mit solchen Hochstaplern vergeudet. Oder? Als sie eine Kollegin (betörend an Cello und Loop Station: Clara Jochum) trifft, die den ganzen Tag damit verbracht hat, die Stunden rückwärts zu zählen - um am Ende von einer Schwalbe gefressen zu werden - , geht ihr ein Licht auf. Das größte Glück - sind Freunde. Und die begleiten sie bis zum Schluss.

Ein kluges Stück über das Leben und den Tod, über Liebe und Abschied, über das große Glück und verpasste Chancen und über das kostbare Geschenk der Freundschaft. Das größte Lob aus Kindermund: "Das möchte ich nochmal sehen."

Weitere Termine und Infos unter www.theater-mummpitz.de, Telefon (0911) 6000 50.

Anja Witzke