Ingolstadt
Freund – Feind – Parteifreund

21.01.2011 | Stand 03.12.2020, 3:14 Uhr

Lächeln für die Kameras: Wenn sie sich bei FDP-Veranstaltungen begegnen (hier beim politischen Aschermittwoch), bemühen sich Christel Ernst und Philipp Philippson um Harmonie. ? Arch - foto: Silvester

Ingolstadt (DK) Es schien so etwas wie Frieden zu herrschen im konflikterfahrenen Kreisverband der FDP. Doch offenbar handelte es sich nur um einen kurzen Waffenstillstand. Stadträtin Christel Ernst agiere eigenmächtig, klagt der Kreisvorsitzende Philipp Philippson. Ernst dagegen bemüht sich, kein Öl ins Feuer zu gießen.

Eigentlich sah es wieder ganz gut aus in der Ingolstädter FDP – nach all den Machtkämpfen, die sich bestimmte Mitglieder geliefert haben. "Die FDP rauft sich zusammen", hieß es vergangenen Oktober, als der 41- jährige Karl Ettinger zum stellvertretenden Kreischef gewählt wurde. Er sei ein guter Vermittler, berichteten Liberale nach der Sitzung, bei der die Presse draußen bleiben musste; das ist sehr unüblich, aber die Parteiführung wusste schon warum.

Doch es verlief alles friedlich, obgleich Kreischef Philipp Philippson seinen Wunschstellvertreter Jörg Drexler nicht durchbekam. Aber jetzt bricht er wieder auf, der Generationenkonflikt: Philippson (38) attackiert – einmal mehr – Christel Ernst (65). Sie hat den Vorstand vergangenen Juli im Streit verlassen, nimmt jedoch neuerdings wieder an dessen Sitzungen teil; als Stadträtin darf sie das. Doch Philippson wirft ihr Folgendes vor: "Sie arbeitet komplett unabhängig vom Kreisverband!" Schlimmer noch: "Sie hat zuletzt nicht aus dem Stadtrat berichtet, obwohl es auf der Tagesordnung stand." So habe er erst aus dem DK erfahren, dass Ernst ein Restaurantfloß an der Donaubühne vorschlägt.

Christel Ernst ist zwar einiges an Querschüssen gewohnt, Philippsons neue Offensive stimmt sie aber ratlos: "Ich weiß nicht, was das jetzt soll", sagte sie am Freitag. "Es hat in letzter Zeit keine Probleme mehr gegeben. An mir hat der Philipp nie offen Kritik geübt. In einer liberalen Partei erwarte ich aber, dass man miteinander über Probleme spricht!" Dem Vorwurf der mangelnden Information hält sie entgegen: "Ich habe dem Kreisvorstand natürlich vorher meine Haushaltsrede geschickt, da steht auch das mit dem Donaufloß drin." Den Begriff Generationskonflikt hört sie nicht gerne. "Ich freue mich über alle jungen Leute, die ernsthaft mitarbeiten." Ein "Lichtblick" seien die neu formierten Jungliberalen. "Da sind echt tolle Leute dabei!", betont Ernst.

Philippsons härtester Vorwurf zielt auf die Lagerbildung: Ernst betreibe Hausmachtpolitik mit älteren Mitgliedern, "die offenbar kaum Interesse dran haben, Themen zu setzen. Die meinen, ,Die Partei ist meins!’". Ernst erwidert: "Sicher schlage ich Leute vor, die ich für fähig halte. Aber wählen tun bei uns immer noch die Mitglieder!"

Das allerdings auffällig unberechenbar. Das Personalkarussell im FDP-Vorstand rast derart, dass die Zuschauer oft den Überblick zu verlieren drohen. Und gern haut es auch mal einen raus. Unvergessen ist der Machtkampf bei der Kreisversammlung am 11. Mai 2009. Erst wurde Ernst mit nur einer Stimme Mehrheit als Stellvertreterin bestätigt. Siegfried Bauer, seit 1972 bei der FDP aktiv, fiel in allen Wahlen durch. "Eine blanke Racheaktion", klagte er, als es vorbei war. Schatzmeisterin wurde damals Gisela Ullmann. Jutta Herzner-Tomei stieg als Schriftführerin auf.

Vergangenen Juli folgte der nächste Paukenschlag: "Weil eine sinnvolle Arbeit nicht mehr möglich ist", wie sie schrieb, warf Ernst hin. Auch Ullmann und Herzner-Tomei gaben ihre Ämter auf, um "den Weg für einen Neubeginn zu ebnen". Ihnen folgten allerdings zwei Altgediente: Siegfried Bauer und Lutz Hesse, der auf den Posten des Schatzmeisters zurückkehrte. Philippson hegt seither den Verdacht, "dass die Damen ausgebootet wurden", um Vertrauten von Ernst zum Comeback zu verhelfen. "Plötzlich waren da wieder diese Herren auf dem Tablett. Das ist sehr seltsam."

Karl Ettinger, der Mann für den Ausgleich, reagierte auf die neuen Querelen fast etwas erschrocken. "Christel Ernst hat Hausmachtpolitik gar nicht nötig, denn sie besitzt Macht. Sie findet überall großes Gehör." Einen Generationskonflikt sieht er nicht. "Ich habe vielmehr den Eindruck, dass sich wieder alle stark aufeinander zubewegen."

Wie weit das geht, stellt sich spätestens Anfang Mai heraus. Da wird der Kreisvorstand der FDP neu gewählt. Christel Ernst hegt bis dahin zwei Hoffnungen: "Dass unser Ruf nicht noch mehr leidet." Und: "Dass der Karl Ettinger bei uns bleibt."