Kösching
"Freies Arbeiten ist etwas Wunderbares"

19.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr

Kösching (tjs) Die Köschinger Geburtshelferinnen sind nicht nur durch Personalmangel belastet: Als Freiberuflerinnen fürchten die sogenannten Beleghebammen um ihre Existenz. Zum einen wegen steigender Haftpflichtprämien. "Wir sind bei 7000 Euro jährlich, 2020 vermutlich bei 9000", sagt Beate Pfaller. Zum anderen, weil der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), mit denen Beleghebammen ihre Leistungen abrechnen, wegen Qualitätsverbesserung die Vergütungsregeln ändern wolle.

Diesen Plänen zufolge sollen selbstständige Geburtshelferinnen nur noch zwei schwangere Frauen zugleich betreuen dürfen - jede weitere Leistung dürften sie nicht abrechnen. "Die Leidtragenden dabei sind die Frauen", sagt Pfaller. Die Geburtsmedizin in Kösching beruhe auf einem Wunschsystem: "Eine Frau kann sich eine Hebamme aussuchen, die ab der 36. Schwangerschaftswoche dauerhaft in Rufbereitschaft ist", erklärt sie. Dieses System sei bei nur zwei zu betreuenden werdenden Müttern pro Hebamme nicht mehr möglich.

Die Geburtshelferinnen malen sich Szenarien aus, die sie wohl gar nicht erleben wollen: "Wenn eine dritte Frau kommt, darf sie natürlich bleiben, aber die Rechnung muss sie selbst zahlen, oder ich arbeite ehrenamtlich", sagt Pfaller. "Das sehe ich aber nicht ein, also muss ich die Frau abweisen." Was aber, wenn diese hochschwanger ist? "Die GKV hoffen auf unser Sozialgefühl", vermutet Pfaller. "Die denken, wenn eine Frau gekrümmt vor der Tür steht, dann kümmern wir uns schon."

Durch die Pläne der GKV, über die ein noch ausstehender Schiedsspruch entscheiden soll, sehen die Hebammen die Geburtsmedizin gerade auf dem Land in Gefahr. "In Bayern gibt es durch die ländliche Prägung sehr viele Belegkliniken, etwa 80 Prozent sind durch das System geregelt", erklärt Christel Hollank. "Jetzt haben wir das Gefühl, dass die Geburtsmedizin auf große Kliniken zentriert werden soll, um diese zu stärken." Eine Festanstellung, wie es beispielsweise in Ingolstadt üblich sei, lohne sich finanziell erst ab 1000 Geburten im Jahr.

Eine Festanstellung kommt für die Köschinger Hebammen aber nicht infrage. "Individuelles, freies Arbeiten ist etwas Wunderbares", schwärmt Hollank, die wie Pfaller zuvor lange fest angestellt war. "Da wurde mir vorgegeben, wie ich mit einer Frau umzugehen habe", sagt Letztere. "Jetzt habe ich ein ganz anderes Verhältnis zu Schwangeren, die ich lange Zeit begleite." Auch Hollank spricht von einem "anderen Gebären, wenn die Frau weiß, dass sie so sein darf, wie sie ist, als wenn sie bis kurz vorher keine Ahnung hat, wer ihr Kind entbindet".

Schon allein deshalb hoffen die Hebammen, dass der Schiedsspruch vernünftig ausfallen wird. "Die GKV finden schon etwas, um ihre Pläne durchzubringen", sagt Hollank aber zweifelnd. "Die Angst ist da, aber wir schaffen weiter."