Dasing
Fred-Rai-Western-City bei Dasing abgebrannt - Ursache unklar

Alle Tiere in Sicherheit

30.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:43 Uhr

Dasing (DK) Schon zum dritten Mal in vier Jahren muss die Feuerwehr in der Western-City bei Augsburg einen Großbrand löschen. Diesmal entsteht Millionenschaden im Freizeitpark - zum Glück werden nur drei Menschen leicht verletzt.

Volker Waschk hat Tränen in den Augen. Und das kommt nicht nur vom beißenden Rauch, der in der Luft liegt. Dem übernächtigten, langjährigen Pressesprecher und Manager der Western-City Dasing (Kreis Aichach-Friedberg) geht es gestern Vormittag wie allen Bewohner und Mitarbeitern. Das, was ihr Leben weitgehend ausmachte, woran sie mit Idealismus und Herzblut arbeiteten, gibt es nicht mehr. Verkohlt und stinkend ragen die Trümmer der Westernstadt, die Fred Rai 1980 gründete, in den Himmel. Doch wenigstens wurde niemand schlimmer verletzt, alle Tiere sind gerettet. Dennoch: Die Polizei geht von einer Schadenssumme in siebenstelliger Höhe aus.

Das bunte Karussellpferdchen hat es überlebt. Ein Feuerwehrmann hat ihm seinen Helm aufgesetzt und seine Jacke darüber gelegt. Er und seine Kollegen sind an diesem Sonntagmorgen erschöpft. Sie sitzen auf den Stufen des Wohnhauses, warten auf ihre Ablösung und gönnen sich einen Schluck Kaffee. Rund 400 Feuerwehrleute aus umliegenden Gemeinden waren im Einsatz. Stundenlang kämpften sie in der Nacht gegen den verheerenden Großbrand. Und konnten doch so wenig ausrichten.

Es war ein wunderschöner, lauer Samstagabend. Die beiden Vorstellungen der süddeutschen Karl-May-Festspiele, mit "Winnetou und die Felsenburg" - in der 13. Saison seit Beginn 2005 - bestens besucht. Ein paar Mitarbeiter räumten noch auf, kehrten im Saloon zusammen. Manche wohnen in der Westernstadt.

Volker Waschk hatte seinen Laptop mitgenommen und wollte gerade die Abendabrechnung erledigen, als eine Kollegin das Feuer entdeckte. 25 Pferde werden bei den Festspielen eingesetzt. Sie werden zwischen den Vorstellungen in einem für die Öffentlichkeit unzugänglichen Bereich hinter dem Saloon gefüttert. Deshalb wird dort eine kleinere Menge Heu gelagert. Geschäftsführerin Gabriele Amrhein kann sich nicht vorstellen, dass es sich selbst entzündet hat. Im Sommer kann das passieren, wenn das Heu bei der Ernte und beim Pressen in Ballen nicht ganz trocken war und von innen heraus zu gären beginnt. Dabei entstehen enorme Temperaturen, zumal, wenn heißes Wetter dazu kommt. Doch die Heuvorräte dort waren überschaubar, und so besonders warm war es in den vergangenen Tagen ja auch nicht.

In der Westernstadt gibt es zahlreiche Feuerlöscher und hinter dem Wohnhaus des Gründers Fred Rai einen Pool, der als Löschteich angelegt wurde. Verzweifelt kämpften die Angestellten, nachdem sie die Feuerwehr alarmiert hatten, selbst gegen die sich rasend schnell ausbreitenden Flammen. Doch sie hatten keine Chance. Die Häuser am Stadtplatz, weitgehend aus Holz errichtet, brannten wie Zunder.

Fred Rai, gebürtig aus Ellwangen, lebte längere Zeit in der St.-Anton-Siedlung in Augsburg. Zunächst tourte der Versicherungskaufmann in den 70er-Jahren hobbymäßig als singender Cowboy auf seinem Pferd Spitzbub durchs Land, mit zunehmendem Erfolg machte er sein Hobby zum Beruf. Für einen Auftritt erhielt er statt einer Gage die Kulissen einer Westernstadt. Auf einem großzügigen Gelände an der A 8 wurde er 1980 sesshaft und baute im Laufe der Jahre die Kulissen zu Gebäuden um.

Der gewaltfreie Umgang mit Pferden, sie ohne Sporen, ohne Peitsche in einem vertrauensvollen Miteinander zu beherrschen, das lag Fred Rai besonders am Herzen. Er rief das der Westernstadt angegliederte Bundeszentrum für Rai-Reiten ins Leben, das im In- und Ausland zahlreiche Ableger hat. Immer Neues fiel ihm ein. So wurden Blockhäuser errichtet, in denen man einen Westernurlaub verbringen konnte.

Im September 2013 traf die Westernstadt der erste Brand. Damals war ein technischer Defekt der Grund für ein Feuer im Tunnel der parkeigenen Bummelbahn. Es griff auf den angrenzenden Palisadenzaun über. Vier Autos, die davor auf der Straße parkten, brannten aus. Schlimmer kam es im November vergangenen Jahres. Fred Rai war bereits gut eineinhalb Jahre tot - er starb im April 2015 im Alter von 73 Jahren während eines Ausritts an einem Schlaganfall - da brannte der Hauptstall ab. Erneut war es ein technischer Defekt, der das Feuer auslöste. Zwar gab es im Mai dieses Jahres die Genehmigung für den Wiederaufbau, doch noch wurde damit nicht begonnen. Die Finanzen sind noch nicht ganz geklärt.

Die Westernstadt ist ein Saisonbetrieb, zwischen Oktober und April ist sie geschlossen. Nur ein halbes Jahr bleibt, um genug einzunehmen, um den Freizeitpark und seine Angestellten zu erhalten. Wichtiges Standbein sind seit 2005 die süddeutschen Karl-May-Festspiele. Nach Rais Tod machten seine Lebensgefährtin Tessa Bauer, die auch das Ausbildungszentrum leitet, Geschäftsführerin Gabi Amrhein und Volker Waschk mit dem engagierten Team in seinem Sinne weiter. "Ich wünsche mir, dass die süddeutschen Karl-May-Festspiele selbst dann noch die Menschen in ihren Bann ziehen, wenn auch ich wie die Helden von Karl May längst durch die ewigen Jagdgründe reite", sagte Fred Rai, ein Jahr bevor er starb. Ob sein Wunsch weiterhin erfüllt werden kann, ist fraglich. Aber vielleicht gelingt es, die Arena vom übrigen, zerstörten Bereich abzutrennen und nach besten Möglichkeiten so schnell es geht weiterzuspielen. Die Einnahmen würden so dringend benötigt.

Dieser dritte Brand binnen vier Jahren ist der verheerendste. Verkohlte Tische, rauchende Trümmer und angekokelte Bänke erinnern an das, was einmal der Saloon war. Von massiven Balken sind nur noch dürre Brikettstangen übrig. Das angrenzende Haus von Fred Rai - eine Ruine. Mexiko-Café, Photoshop, USA-Museum, Fred-Rai-Hall mit unwiederbringlichen Sammlerstücken aus seinem Leben: ein Haufen qualmender Holzreste. Vom Bürogebäude, in dem auch der Store untergebracht war, stand gestern nur noch der gemauerte Giebel. Alle Waren, alle Unterlagen: vernichtet. Nichts mehr da, ob Versicherungspolicen, die Mitgliederlisten des Ausbildungszentrums oder die Einnahmen aus der Samstagnacht. Die Wohnungen der Angestellten: ausgebrannt.

Um die Western-City wurde alles weitläufig abgesperrt, auch die Zufahrt vom Kreisel auf der B 300. Tessa Bauers Vater Dieter stand dort, wie verloren, übernächtigt und sichtlich angegriffen, um die Ferienkinder, die gestern anreisen sollten, um ein paar heitere Tage mit Pferden in Wild-West-Romantik zu verbringen, gleich wieder heimzuschicken. Und auch ein Handwerker bremste vor dem weiß-roten Absperrband. Er kam, um den Geschirrspüler zu reparieren. Zu spät. Das Gerät stand im Saloon.