Hilpoltstein
Frauenhaus ist selbst in Not

Die Beraterinnen der Einrichtung brauchen dringend Unterstützung Landrat Herbert Eckstein sichert sofortige Hilfe zu

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Hilpoltstein/Roth (HK) "Wir können das nicht mehr stemmen, wir gehen in die Knie, wir ertrinken." Dieser Hilferuf kommt nicht etwa von einer der vielen hilfesuchenden Frauen im Frauenhaus Schwabach, sondern von der Leiterin Andrea Hopperdietzel. Sie schildert am Freitag im Ausschuss für Senioren und Soziales im Landratsamt Roth die Nöte ihrer Einrichtung.

Das Frauenhaus als Zuflucht für von Gewalt bedrohte Frauen, ein Bereich für deren Kinder, eine ambulante Beratung, die Hilfe bei der Wohnungssuche, die Nachbetreuung von Kindern und der riesige Arbeitsanfall in der Interventionsstelle: Das alles müssen drei Sozialpädagoginnen alleine stemmen.

Dabei ist schon die Interventionsstelle eine Mammutaufgabe. Hier greift das Frauenhaus ein, wenn die Bedrohung einer Frau schon so weit eskaliert, dass die Polizei bei ihr Zuhause anrücken muss, um weitere Übergriffe des Partners zu verhindern. Die Beamten brauchen dann Unterstützung und die Frauen vor allem Hilfe. Die Polizei verständigt in diesem Fall die drei Mitarbeiterinnen des Frauenhauses. Immerhin 180 dieser Hilferufe zählt Hopperdietzel im Jahr. "Nur ein einziges Frauenhaus in Bayern kommt auf über 120 solcher Anfragen", sagt Hopperdietzel. "Wir haben in unserem kleinen Frauenhaus deutlich mehr." Schon diese einzige Aufgabe ist mit drei Helfern kaum zu schaffen. Doch das ist nicht einmal ihre Hauptaufgabe. Das Team soll sich vielmehr um die Frauen kümmern, die so stark bedroht sind, dass sie bereits im Frauenhaus Zuflucht suchen mussten. Zehn Plätze stehen dort eigentlich zur Verfügung. Elf Zimmer werden schon jetzt genutzt. "Im Notfall bringen wir eine Frau sogar im Wohnzimmer unter, bis wir am nächsten Tag einen Platz in einem anderen Frauenhaus für sie gefunden haben", sagt Hopperdietzel.

Das hört sich rein zahlenmäßig zunächst gut an: 98 Prozent Auslastung. Das heißt aber in der Realität, dass so gut wie nie sofort ein Zimmer frei ist. Doch die Frauen, die hier in ihrer Not Zuflucht suchen, können nicht warten. "Bei uns sind auch die Fälle, wo nicht einmal polizeiliches Einschreiten oder ein Gerichtsbeschluss mehr helfen, wo Frauen in Lebensgefahr sind", sagt Hopperdietzel.

Die Frauen, die in Schwabach untergebracht sind, sollen sich so weit wie möglich noch selbst versorgen, zur Arbeit gehen und einkaufen. "Doch das geht nur, wo es ohne Gefahr noch möglich ist", sagt Hopperdietzel. Aber selbst die Kinder der Frauen könnten oft nicht mehr in ihren gewohnten Kindergarten, weil sie dann vom Ehemann oder Lebenspartner der Hilfesuchenden bedroht würden.

Wie gefährlich die Frauen leben, erkennt man schon an den Sicherheitsmaßnahmen im Frauenhaus. Es reicht schon lange nicht mehr, dass die Anschrift des Hauses nirgends bekanntgegeben wird. "Sicherheitsglas in den Fenstern, die einen Einbruch unmöglich machen, hohe Zäune, die vor einem Übersteigen gesichert sind und Kameraüberwachung", zählt Hopperdietzel auf. Und kann den Frauen damit zumindest eines garantieren: "Hier kommt keiner rein."

Leider gilt dies in seltenen Fällen auch für Frauen in Not. "Ja, wir müssen manchmal Hilfesuchende abweisen. Aber wir tun alles, damit das nicht nötig ist", bekräftigt die Leiterin. "Dabei sollte man nie außer Acht lassen, wie groß der Leidensdruck schon ist, wenn eine Frau diese Grenze überwindet und ins Frauenhaus flüchtet", ergänzt an dieser Stelle Landrat Herbert Eckstein.

Als Hauptaufgabe sieht es Hopperdietzel, den Frauen "stabilisierend" zur Seite zu stehen. Gleichzeitig ist sie mit ihren drei Mitarbeiterinnen aber auch ständig am Telefon, um zu beraten, zu trösten und zu helfen. "Das schaffen wir nicht rund um die Uhr - da bekommen wir Hilfe von 20 Ehrenamtlichen." Das klingt nach umfassender Hilfe, entspricht laut Hopperdietzel aber gerade einmal eineinhalb Vollzeitstellen. "Und wir müssen trotzdem da sein. In Rufbereitschaft sind wir immer."

"Wenn eine Frau zu uns kommt, kümmern wir uns um alles", sagt Hopperdietzel. Von einer möglichen Handyortung durch den Partner, über Männer, die die Frauen auf jedem Schritt verfolgen, bis hin zu denen, die in der Wohnung der Frau Strom und Wasser aufdrehen, damit sie nach dem Aufenthalt in Schwabach auch noch in finanzielle Nöte kommt. "Für die, die auf der Flucht von Zuhause nichts mitnehmen konnten, haben wir auch noch Hygieneartikel, Zahnbürsten und sogar warme Kleidung."

Für die Stadt Schwabach, den Landkreis Roth, den Landkreis Nürnberger Land und den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen sind die drei Helferinnen zuständig und sehen nun selbst keinen Ausweg mehr. Und sie wissen nicht, wie ihre finanzielle Zukunft aussieht, wie lange zum Beispiel die dringend nötige Interventionsstelle überhaupt noch unterstützt wird.

Doch Herbert Eckstein machte nach dem Bericht Hopperdietzels sofort klar: "Wir zahlen unseren Anteil bis zu einer weiteren Vollzeitstelle", kündigt er an. Und erhält für diesen spontanen Entschluss von allen Ausschussmitgliedern einstimmig grünes Licht. "Das ist mehr als ein Weihnachtsgeschenk", versichert Hopperdietzel.