Eichstätt
"Fratzenhaftes Gesicht von Kirche"

Prediger Pater Johann Schurm findet beim Fest im Salesianum deutliche Worte zum Missbrauchsskandal

01.02.2022 | Stand 05.02.2022, 3:34 Uhr
In einem festlichen Rahmen wurde im Salesianum Rosental das Fest des Ordenspatrons Franz von Sales gefeiert. In seiner Festpredigt ging Pater Johann Schurm (am Altar stehend rechts) explizit auf die jüngsten Entwicklungen im Missbrauchsskandal ein. −Foto: Bauer

Eichstätt - Das Salesianum Rosental hat das Fest des Ordenspatrons, des heiligen Franz von Sales, gefeiert. Den Gottesdienst konzelebrierten Rektor Josef Prinz und Pater Johann Schurm. Die Musik übernahm Regina Michl mit einer Abordnung und mit Musikern des Chores "mittendrin". Festprediger war Pater Johann Schurm. Er dankte zunächst den Gottesdienstbesuchern, dass sie trotz des gegenwärtigen Skandals ins Salesianum gekommen seien, um das Fest des Ordensgründers zu feiern. Also nicht einer nur allzu verständlichen Reaktion der Wut und der Enttäuschung folgend, beschlossen haben, dieser Kirche endgültig den Rücken zu kehren, sondern immer noch Ja sagten zu dieser Kirche, die eben nicht nur eine Gemeinschaft von vorbildlichen Heiligen sei, sondern auch - und wahrscheinlich sogar mehrheitlich - "eine Kirche der Sünder, und zwar bis hinauf zu den höchsten Amtsträgern".

Einen historischen Streifzug, so der Prediger, durch die unrühmlichen Jahrhunderte der Kreuzzüge, der Hexenprozesse, der machtpolitischen päpstlichen Intrigenspiele zu machen, sei gar nicht nötig. Es reiche ein Blick in die Gegenwart, "wo sich in den schlimmen Vergehen von sexuellem Missbrauch, von Machtmissbrauch und von Vertuschung und Wegschauen ein wirklich abstoßendes, fratzenhaftes Gesicht von Kirche zeigt".

Pater Schurm sprach am Fest des Ordenspatrons dieses Thema an, weil sich die Kirche zur Zeit des heiligen Franz von Sales in einer ähnlichen Krisensituation befand und viele schlimme, dem Geist des Evangeliums widersprechende Dinge geschahen: "Christen haben einander bekämpft, vertrieben, ja sogar umgebracht, nur weil sie eine andere Meinung hatten."

Der Prediger charakterisierte Franz von Sales, wie seine Einstellung heute helfen könne im Umgang mit den aktuellen Herausforderungen. Franz sei nicht entrüstet und enttäuscht davongerannt. Seine Begeisterung und seine Liebe für Gott hätten ihn dazu gebracht, als Priester und bald darauf als Bischof sein Leben ganz dem Dienst an Gott und den Menschen zu weihen: "So wollte er seinen Beitrag leisten, um das zu seinen Lebzeiten oft fratzenhafte Gesicht der Kirche wieder in ein freundliches, die göttliche Liebe widerspiegelndes Antlitz zu verwandeln."

Damals gab es Bischöfe, die wie Fürsten lebten und sich mehr um politische Angelegenheiten kümmerten als um die Verkündigung des Evangeliums. Vor diesem Hintergrund habe Franz in seiner Antrittsrede als junger Dompropst seine Stimme erhoben und ganz offen die Mitschuld der Kirche an der Glaubensspaltung bekannt.

Im Umgang mit der Wahrheit kämen von Franz Ratschläge, worauf man achten solle. Dabei habe sich gezeigt, dass Franz mehr vertraut auf die befreiende Kraft der Wahrheit, so unangenehm und peinlich sie auch sein möge, als auf einen noch so gut gemeinten Versuch, durch Geheimhalten, Vertuschen und Verschleiern Schaden von der Kirche abzuwenden, wie das in den letzten Jahrzehnten bis herauf in die jüngsten Tage in unserer Kirche gang und gäbe gewesen sei.

Pater Schurm: "Es ist doch mehr als peinlich, wenn zum Beispiel ein emeritierter Papst es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und dann seine falsche Aussage auch noch beschönigend als ,Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme' bezeichnet, anstatt einfach zuzugeben, dass er gelogen hat. Anstatt Schaden von der Kirche abzuwenden, hat er mit diesem jämmerlichen Versuch den Schaden noch größer gemacht."

Franz von Sales hat als Priester und Bischof ganz offen Missstände in der Kirche angesprochen. Wie in seiner Zeit ist er auch heute ein Vorbild von Ehrlichkeit. Nach der Predigt gab es lang anhaltenden Applaus.

EK