Ingolstadt
Franziskas Martyrium

Rechtsmediziner schildern im Mordprozess, wie brutal das Mädchen getötet wurde

23.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:30 Uhr

Untersuchten Franziskas Leiche und Blutspuren am Tatort: Die Rechtsmediziner Randolph Penning (vorne) und Jiri Adamec (dahinter) lieferten gestern Details zu dem grausamen Verbrechen - Foto: Rehberger

Ingolstadt (DK) Der siebte Tag im Franziska-Prozess war der Tag der Rechtsmediziner. Ihre Gutachten zur Blutspurenanalyse und der Obduktion der Kinderleiche brachten die ganze Grausamkeit des Verbrechens an den Tag. Der mutmaßliche Mörder Stefan B. fügte der Zwölfjährigen ein Martyrium zu.

Der Anblick der Fotos lässt sie verstummen. Mancher Prozessbeteiligter muss an der Richterbank wegschauen. Zu verstörend ist das, was abgebildet ist: der Leichnam von Franziska, zwölf Jahre, 1,60 Meter groß und 48 Kilo schwer. Mit diesen Fakten kommt Randolph Penning, der auch die Bilder liefert. Der Rechtsmediziner hat Franziska obduziert, nachdem das Mädchen vor einem Jahr tot im Rathei-Weiher bei Neuburg gefunden worden war. Seine Schilderungen sind die Grundlage für den schlimmsten Tag des Prozesses, was die Grausamkeit der Fakten betrifft. Einige Zuhörer müssen schlucken, als der erfahrene Rechtsmediziner, nach vielen Dienstjahren abgebrüht, sagt: „An etwas Vergleichbares kann ich mich nicht erinnern.“

Der Täter hat dem Kind viele schwere Verletzungen zugefügt. Am schlimmsten am Kopf. Das Wort „Overkill“ fällt. Laut Penning wurde „das zum Töten nötige Ausmaß weit überschritten“. Was der Mörder Franziska angetan hat, hätte sie mehrfach getötet. Penning spricht sogar von „verstümmelnden Verletzungen“ am Kopf. Etwas, was er bei Gewalt gegen Kinder noch nie erlebt habe. Und Franziska war „kindlich“, ihr Körper „gerade am Beginn der Pubertät“, so der Experte. In seine nüchternen Schilderungen mischt sich Betroffenheit: Der Übergriff auf das Kind habe „diese Psychodynamik, die ich nicht überblicke“.

Es ist die wiederkehrende Frage, die alle umtreibt, aber wohl in dem Verfahren nicht beantwortet werden wird: Warum musste das Kind sterben? Und warum so brutal? Franziska durchlebte ein Martyrium.

Ihr mutmaßlicher Peiniger Stefan B. verfolgt das beklemmende Geschehen im Gerichtssaal wieder relativ unbeeindruckt. Beim einstündigen Vortrag des Rechtsmediziners hält er den Blick minutenlang zu Boden gesenkt. Er hat sich den ungepflegten Kinnbart abrasiert, ansonsten ist alles wie immer. Seine Teilnahmslosigkeit trotz der grausamen Fakten wirkt geradezu herausfordernd auf Zuhörer. Sie verfolgen den Vormittag ihrerseits mit wiederkehrendem Kopfschütteln.

Der Rechtsmediziner beschreibt auch Verletzungen im Genital- und anderen Intimbereichen bei Franziska. Ein Brustkorbtrauma („massivste stumpfe Einwirkung“) gibt Rätsel auf, es scheint, als habe sich der Täter auf das Kind geworfen. Penning berichtet auch von den Strangulationsmarken am Hals. Wie Stefan B. gestand, hatte er das Mädchen angeblich mit seinem Gürtel erdrosseln wollen. Warum er das nicht schaffte, ist Penning ein Rätsel. Er entwirft anhand der Spuren eine andere Idee: „Es wäre vorstellbar, dass die Drosselung Teil der sexuellen Handlung war.“

Auch zu einer anderen Einlassung des Angeklagten haben die Gutachter aus dem Institut für Rechtsmedizin eine Abwandlung. Biomechaniker Jiri Adamec beleuchtete bei der Blutspurenanalyse, ob sich Rückschlüsse auf den Tatverlauf ergeben. An der Kleidung von Stefan B. fand sich Blut des Mädchens, seine DNA wiederum an der Leiche. Adamec kann aber wenig Konkretes zum Hergang belegen, wie er sagt. Eines ist für den Experten klar: Die vielfachen Verletzungen am Kopf des Kindes sind durch mehrere Schläge mit einem Gegenstand entstanden. Zwei Hiebe mit einem Holzscheit, wie sie B. gestanden hatte, reichten dafür nicht aus. Penning ergänzt: „Auf der linken Kopfseite ist alles kaputt, was kaputt sein kann.“

Das Schädel-Hirn-Trauma war die Todesursache. „Ansonsten steht aus rechtsmedizinischer Sicht relativ wenig fest“, erklärt Penning. Der genaue Tatort und das Tatwerkzeug sind nach der Obduktion offen. Vom Mordinstrument, dem angeblichen Holzscheit, fehlt jede Spur. Die genaue Todeszeit lässt sich nicht so einfach bestimmen. „Das funktioniert im Fernsehkrimi, aber nicht in der Realität“, so der Experte. Der Zeitraum wird nur durch Nachrichten eingegrenzt: Kurz vor ihrer Verschleppung am 15. Februar 2014 schrieb Franziska gegen 17.30 Uhr Handy-Mitteilungen an Freundinnen: „Das Auto, hab’ voll Angst, verfolgt mich.“ Doch die Mädchen lasen sie laut einem Kripobeamten erst am nächsten Morgen. Der Prozess wird nach der Osterferienpause am Montag, 13. April, fortgesetzt.