Hilpoltstein
Franken haben Köpfchen

"Vom Globus bis zum MP3" heißt ein neues Buch, dass die Erfindernation präsentiert.

23.11.2018 | Stand 23.09.2023, 5:03 Uhr
Wolfgang Lösch und Hans Peuschel von der Leoni AG zeigen alte Musterbücher mit den versilberten und vergoldeten Kupferdrähten und die daraus hergestellten Bänder, Borten und Kordeln. Mehr über die Erfndung ist im Buch "Vom Globus bis zum MP3" zu lesen. −Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Auf den Kopf gefallen sind die Franken nicht. Das zeigen allein die zahlreichen Erfindungen, die rund um Nürnberg das Licht der Welt erblickt haben. Viele Geistesblitze aus Franken wie die leonischen Drahtwaren, der Augenbrauenstift und die Hustenbonbon verändern die Welt bis heute. Ohne Bobby-Car und Beatles-Bass würden dem Planeten weitere Geniestreiche aus Franken fehlen.

Gewitzt sind die Menschen zwischen Main und Pegnitz schon immer gewesen. Mit ein paar Turnübungen im Hinterstübchen sind die Franken bereits früh auf kluge Ideen gekommen. Zahlreiche weltbekannte Produkte wie das Tempotaschentuch und der Schukostecker haben ihren Ursprung in der Metropolregion Nürnberg.

Michael Diefenbacher, Leiter des Nürnberger Stadtarchivs, hat sich gemeinsam mit Bianca Bauer-Stadler und Petra Kugler auf Pilgerreise zu den fränkischen Erfinderwerkstätten begeben. Viele geniale Geistesblitze hat das Autorenteam in Museen aufstöbern können. Wie den weltberühmten Globus von Martin Behaim aus dem Jahr 1492, der noch heute wie ein Augapfel im Germanischen Nationalmuseum gehütet wird. Schnell ist der älteste erhaltene Erdglobus der Welt in Serie produziert worden. Und das obwohl der Behaim`sche Erdapfel selbst für damalige Verhältnisse ungewöhnlich fehlerhaft gewesen sei, schreiben die Autoren in ihrem Werk, das auf knapp 170 Seiten die wohl wichtigsten Erfindungen aus Franken chronologisch geordnet und reich bebildert genauso kenntnisreich wie unterhaltsam zusammenführt.

Für andere Erfindungen haben die drei Autoren fränkische Firmen besucht, die noch heute stolz sind auf den Einfallsreichtum ihrer fränkischen Gründerväter. Wie die Leoni AG aus Roth, die die alten Musterbücher mit den versilberten und vergoldeten Kupferdrähten und die daraus hergestellten Bänder, Borten und Kordeln noch heute wie einen Drachenhort hütet. Die Technik der Nürnberger Drahtzieher geht auf Johann Stengel zurück, der 1677 in seiner Werkstatt mit Kurbel, Messingdraht, Leier und Zieheisen den Grundstein für die 1917 gegründete Leoni AG gelegt hat, die heute mehr als 86000 Menschen in 31 Ländern beschäftigt. "Früher zählten besonders Militär, Königshäuser und Kirchen zu unseren Kunden", erklärte Wolfgang Lösch, Geschäftsführer der Leoni Kabel GmbH, bei der Buchpräsentation am Donnerstag in Nürnberg. Heute würden mit den Gold- und Silberfäden aus Roth sogar muslimische Heiligtümer in Mekka bestickt.

Eine genauso leckere wie wohltuende Erfindung aus Franken haben die Autoren aufgespürt, die noch heute im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde ist. "Weil mein Urgroßvater als gelernter Apotheker den Menschen immer helfen wollte, hat Dr. Carl Soldan im Jahr 1923 das ,Em-eukal`-Hustenbonbon erfunden", erinnerte sich Perry Soldan, der heute die Geschicke des fränkischen Familienunternehmens leitet, anlässlich der Buchpräsentation. In einer kleinen Medizinaldrogerie am Hefnersplatz in Nürnberg habe Soldan Senior ab 1899 nicht nur an Bonbonrezepturen getüftelt. Der visionäre Geist aus Franken habe dort beispielsweise auch die Frostschutzseife erfunden. Weltberühmt sind die Soldans freilich mit dem in hellgrünem Papier umwickelten Bonbon geworden. Die berühmte "rote Fahne" sei dagegen erst später zum Bonbon hinzu gekommen, verriet der Nachfahre des fränkischen Erfinders weiter. Demnach sollten die Kumpels unter Tage eine Möglichkeit haben, die Bonbons selbst mit schmutzigen Kohlehänden öffnen zu können. Heute sind die Bergleute aus Deutschland fast verschwunden. Die roten Fähnchen mit dem Aufdruck "Nur echt mit der Fahne" sind als Markenzeichen der Hustenbonbons aus Franken geblieben.

Geblieben sind genauso bis heute die Textmarker der Firma Stabilo. Oder der Violin-Bass des Gitarrenbauers Höfner aus Bubenreuth bei Erlangen, mit dem ein Pilzkopf aus Liverpool gemeinsam mit der Band "The Beatles" weltweit die Charts gestürmt hat.

Es ist das Verdienst der Autoren, diesem Einfallsreichtum der Franken ein genauso kenntnisreiches wie lesenswertes Denkmal gesetzt zu haben. Oder wer hätte gewusst, dass neben so bekannten Erfindungen aus Franken wie dem Bobby-Car, der Jeans und dem Wiener Würstchen auch das erste Elektromobil (1888 in Coburg), die allererste Feuerspritze (1655 vom Nürnberger Zirkelschmied Hans Hautsch) und "Mensch ärgere Dich nicht", das wohl beliebteste Brettspiel der Deutschen, im Jahr 1907 in Nürnberg von Josef Friedrich Schmidt in Franken erfunden worden ist.

In dem Buch "Vom Globus bis zum MP3" der Autoren Michael Diefenbacher, Bianca Bauer-Stadler und Petra Klugerau sind auf knapp 170 Seiten die wohl wichtigsten Erfindungen aus Franken in chronologischer Reihenfolge und mit zahlreichen Bildern und Illustrationen zu finden. Das Werk ist im Verlag Hans Müller in Nürnberg erschienen und kostet 29,80 Euro.

Nikolas Pelke