Rennertshofen
Fluten oder nicht fluten?

Katastrophenschutzbehörden könnten im Notfall den Planfeststellungsbeschluss des Polders aushebeln

27.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:43 Uhr

Stepperg im Juni 2013: Weil es sich damals nicht um ein hundertjährliches Hochwasserereignis gehandelt hat, wäre ein Polder Bertoldsheim nicht geöffnet worden – außer die Katastrophenschutzbehörden hätten die Öffnung der Schleusen trotzdem angeordnet. Arch - foto: Schanz

Rennertshofen (DK) Vor der Infoveranstaltung zum geplanten Flutpolder Bertoldsheim stehen drei Fragen im Raum: Hätte man den Polder beim Riesenhochwasser 1999 geflutet? Wie wäre es 2013 gewesen? Und kann die Katastrophenschutzbehörde den Planfeststellungsbeschluss aushebeln?

Im Bayerischen Umweltministerium tut man sich schwer, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob 1999 die Schleusen eines Bertoldsheimer und auch Riedensheimer Polders geöffnet worden wären. Nach einer Anfrage am Freitag, konnte bis gestern niemand eine verbindliche Auskunft darüber geben.

Beim Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt ist man da deutlich schneller. Behördenleiter Christian Leeb kennt die Thematik wie kaum ein Zweiter und kann die Fragen sofort beantworten. „1999 hatten wir in unserem Bereich ein hundertjährliches Hochwasserereignis. Da wäre also geflutet worden“, erklärt er. Holger Pharion, der Abteilungsleiter für den Bereich Neuburg-Schrobenhausen, bekräftigt, man habe 1999 ja sogar ein größeres Hochwasser als ein hundertjährliches gehabt.

Und was hätte man im Juni 2013 getan, als in Deggendorf ganze Wohngebiete bis zu den Dächern im Wasser standen? Damals hätte man laut den Experten vom Wasserwirtschaftsamt den Polder Bertoldsheim nicht geflutet. Die Betriebsregeln seien im Planfeststellungsbeschluss eindeutig festgelegt. Man darf den Polder demnach erst ab einem Abfluss von 2200 Kubikmetern pro Sekunde fluten. „Der Bescheid gibt den Wert vor und er gibt das geltende Recht vor“, sagt Pharion. „Die Hochwasserereignisse an der Donau sind ortsspezifisch unterschiedlich“, erklärt der Abteilungsleiter. Auf deutsch heißt das: Nur weil man in Passau ein hundertjährliches Hochwasser hat, muss man in Neuburg noch keins haben. Ob geflutet wird, oder nicht, hängt laut Behördenleiter Leeb vom Abflusswert direkt am Polder ab. „Es zählt der Pegel vor Ort“, sagt Pharion. Hier gelten dann jeweils die festen Abflusswerte: In Riedensheim wie Bertoldsheim je 2200 Kubikmeter pro Sekunde.

Bleibt noch die letzte Frage: Können die Katastrophenschutzbehörden die Betriebsregeln übergehen? Das Szenario ist schnell erdacht: Im Angesicht überfluteter Häuser und Menschenleben in Gefahr – könnte zum Beispiel Ministerpräsident Horst Seehofer als oberster Katastrophenschützer des Freistaates die Flutung anordnen?

Ja, das sei theoretisch möglich, heißt es im Wasserwirtschaftsamt. „Über das Katastrophenschutzrecht kann man das aushebeln“, sagt Behördenleiter Leeb. „Es ist zwar die Frage, ob es viel Nutzen bringt, aber es ist grundsätzlich möglich“, meint Pharion. Leeb erklärt es anhand der Hochwasserlage rund um Deggendorf 2013. „Damals sind Dämme gebrochen, die man versucht hat, zu stabilisieren, es kam eine zweite Welle. Die hätte man strecken können, um den Schaden abzumildern.“ So erscheint das Szenario einer außerordentlichen Flutung also durchaus realistisch. „Eine solche Maßnahme kann psychologisch vorteilhaft sein“, sagt Christian Leeb.

Die große Informationsveranstaltung zum geplanten Flutpolder Bertoldsheim mit der Bayerischen Umweltministerin Ulrike Scharf findet am kommenden Freitag, 30. Januar, um 19 Uhr in der Turnhalle Rennertshofen statt. Einlass ist bereits um 18.30 Uhr.