Neuburg
Flugvirtuosen mit Navigationssystem

Landesbund für Vogelschutz geht mit Interessierten auf Entdeckungsreise in die Welt der Fledermäuse

31.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

 

Neuburg (DK) Halloween kann kommen. Die Neuburger sind gerüstet. Jedenfalls die rund dreißig, die am Samstagabend den Geräuschen eines Bat-Detektors lauschend durch die nächtlichen Donauauen pirschten.

Letzte Geheimnisse ums Liebesleben der Fledermäuse blieben auch in dieser Nacht ungelöst. Aber Achtung: Es gibt in der Tat blutsaugende Fledermäuse. Ein wenig gespenstisch sehen sie ja schon aus – bekommt man eins der Tierchen wirklich mal zu Gesicht, das es mit seinen vielleicht gerade zwanzig Gramm Gewicht auf die respektable Spannweite von annähernd 40 Zentimetern bringen kann. Und eine gewisse Faszination lösen sie allemal aus, haben sie als die einzigen Säugetiere den großen Menschheitstraum, fliegen zu können, tatsächlich verwirklicht. Und so kommen die kleinen Kerle der Form des idealen Lebensvollzugs doch beachtlich nahe: stundenlang gemächlich und ohne jegliche Kraftanstrengung abzuhängen, in der Dämmerung dann ein Ausflug mit einem traumwandlerisch sicheren Navigationssystem.

Moderne Einparkhilfen machen sich das, was selbst so ein fünf Gramm leichter Winzling per Natur perfekt beherrscht, jetzt allmählich für den Menschen zunutze: Schallwellen aussenden und am Echo erkennen, wenn das Kollidieren droht. Mit dieser Technik segeln Fledermäuse zielsicher durch die Lüfte und beweisen sich als ausgesprochen gute Jäger. Schaut man, wie viele Stunden die Tiere mit der Nahrungsbeschaffung am Tag beschäftigt sind, wie viele Stunden Tier und Mensch arbeitend für seinen Lebensunterhalt zubringen müssen, sind Fledermäuse im Vergleich echte Lebenskünstler. Immerhin muss so ein Flattermann jeden Tag ein Drittel seines Körpergewichts wieder essen – bei fünf, zehn Gramm Lebendgewicht vielleicht keine allzu beeindruckende Menge, die aber in Form von Schnaken erst mal eingesammelt sein will. Da ist ein ordentlicher Nachtfalter schon was anderes, die Flügel lässt Feinschmecker Fledermaus grundsätzlich übrig.

Fledermäuse fliegen zwar, und dies recht gut, sind aber wie gesagt Säugetiere und keine Vögel, bringen also lebende Kinder zur Welt und säugen diese in sogenannten Wochenstuben, wo die Mütter in richtigen Frauenkommunen zusammenleben, gerne in altem Gebälk, finden sich aber auch hinter modernen Metallverkleidungen längst zurecht. Paarungszeit ist im Herbst, die Weibchen haben die Fähigkeit, die Spermien in sich aufzubewahren, bis es erst im Frühjahr zu Eisprung und Befruchtung kommt, dann, wenn auch die Nahrungsversorgung wieder am besten ist. Die Frage aber brachte am Samstag selbst die Expertin in fachliche Verlegenheit: Eine Mitwanderin will gehört haben, dass die Fledermaus-Weibchen sich sogar zwischen den Spermien verschiedener Begatter entscheiden könnten, eine Mutmaßung, die nicht ohne menschliche Neidgefühls-Äußerungen bedacht blieb.

Das wusste selbst Friederike Herzog bis dato nicht. Die Biologin bereitet gerade ihre Doktorarbeit über Satellitenteleskopie vor, ihr Doktorvater ist „Bat-Papst“ Andreas Zahn. Es dauert denn auch am Samstag nicht lange, bis die ersten – man könnte fast meinen: Neugierigen knapp über die Köpfe der Au-Exkursionsteilnehmer hinwegsegeln. Theoretisch zumindest lassen sich jetzt die Geräusche der 24 von den insgesamt 1300 Arten, die in heimischen Breitengraten leben, im Bat-Detektor unterscheiden, vorausgesetzt, die Tierchen senden gerade dann ihre Peilgeräusche, wenn sie am Mikro vorbeifliegen. Den Gefallen tun sie freilich nicht immer. Als absolut sichere Peil-Beute erweisen sich die knapp über der Wasseroberfläche jagenden Arten, die an der Donau dann auch keine zehn Sekunden auf sich warten lassen. Mit ein bisschen Fantasie meint man jetzt, richtig hören zu können, wie in dem Augenblick gerade eine Mücke verschlungen wird.

Und was ist jetzt mit der Blutsaugerei? Exakt drei der wie gesagt rund 1300 Arten, weiß die Biologin, tun dies in der Tat. Die leben aber allesamt nicht in Europa und erst recht nicht ausgerechnet in Neuburg. Der Mensch gehört auch bei diesen drei Arten nicht ins Beuteschema – jedenfalls nicht in der Zeit vom 1. November bis zum 30. Oktober.