Eichstätt
Fliegende Feuerwache

03.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:18 Uhr
Beengte Verhältnisse: Pilot Thomas Daniel (großes Bild, links) und Luftbeobachter David Vogl in einer Cessna 172 - mit der kleinen Sportmaschine fliegen sie vom Eichstätter Frauenberg aus über Wald und Flur in der nördlichen Region Ingolstadt, um nach Waldbränden Ausschau zu halten, wie hier auf dem kleinen Bild zwischen Weißenkirchen und Eichstätt. −Foto: Fotos: Richter

Eichstätt (DK) Der Frauenberg in Eichstätt ist ein wichtiger Start- und Landeplatz für Luftbeobachter zur Erkennung von Waldbränden. Ein Zweierteam kontrolliert die nördliche Region Ingolstadt und sucht nach eventuellen Flammen.

Eichstätt (DK) "Und die weiteren Aussichten: Es bleibt sonnig und heiß, die Höchsttemperaturen am Wochenende liegen zwischen 28 und 36 Grad." So tönt es am Freitag aus dem Radio, und nicht nur Bauern blicken auf der Suche nach Regenwolken sehnsüchtig zum Himmel. Die anhaltende Trockenheit sorgt für Ernteausfälle und erhöht die Gefahr von Waldbränden enorm. In Ingolstadt und der Region sind wie fast überall in Oberbayern die Stufen 4 und 5 (hoch und sehr hoch) erreicht, Besserung ist nicht in Sicht. Die Regierung hat daher für Samstag und Sonntag weitere Luftbeobachtungen angeordnet, um eventuelle Feuer rasch zu erkennen, unter anderem von Eichstätt und Pfaffenhofen aus. Die Kontrollflüge finden einmal täglich statt.

Thomas Daniel steht auf dem Flugplatz am Eichstätter Frauenberg und tankt eine Cessna 172 des Fliegerklubs auf - es ist Donnerstag, die Nachmittagssonne sticht herunter, gleich soll es losgehen über die nördliche Region. Er ist Pilot und schon seit der Jugend begeisterter Flieger. "Mit 16 habe ich in Neuburg den Segelflugschein gemacht, als Student den Motorseglerschein und mit 32 den Motorflugschein", erzählt der 51-jährige. Wenn er heute in die Luft geht, tut er das ehrenamtlich, zusammen mit David Vogl vom Landratsamt Eichstätt. Der 25-Jährige ist Sachbearbeiter für Brand- und Katastrophenschutz und in der zweiten Saison als Luftbeobachter unterwegs. "Es hat sich angeboten, wo ich die Einsätze doch koordiniere."

Der Check der Sportmaschine ist beendet, der 144-Liter-Tank randvoll, es kann losgehen. Die beiden Männer machen es sich in der Enge des Cockpits so bequem wie möglich, melden sich bei der Leitstelle an, und erhalten grünes Licht. Holpernd rollt die 150-PS-Maschine über das kurze Gras auf dem Frauenberg, Thomas Daniel gibt Gas. Drinnen schüttelt es die Insassen herum, der Motor lärmt wie fünf Rasenmäher auf einmal, aber das hier ist schließlich keine Vergnügungstour. Dann hebt die Cessna ab. Die Route soll gut zwei Stunden am Jura entlang, bei Beilngries in Richtung Süden zur Donau, den Fluss entlang bis hinter Rennertshofen ins westlichen Neuburger Land führen, um anschließend ein weiteres Mal anzustehen. Am Ende wird es ganz anders kommen, aber davon später mehr.

Es ist ein dunstiger Nachmittag, der Wind schüttelt die Cessna durch, als hätte der Himmel Schlaglöcher. Thomas Daniel fliegt über einen Steinbruch hinweg, David Vogl studiert seine Karte und deutet in nordwestliche Richtung - dorthin soll die Route gehen. Der Blick der Männer schweift rundherum. Steigt irgendwo Rauch auf? Ist vielleicht ein Feuer zu erkennen? Vogl hat sich in einem einwöchigen Lehrgang an der Staatlichen Feuerwehrschule in Würzburg zum Luftbeobachter ausbilden lassen. Genau hinzusehen ist Pflicht. Qualmt da nicht etwas in der Ferne? Es kann freilich auch ein Bauer sein, der gerade sein Getreidefeld aberntet und eine riesige Staubwolke hinter sich herzieht. Oder ein Lastwagen auf einem Flurweg oder in einem der vielen Steinbrüche rund um Eichstätt. "Mit der Zeit kriegst du schon den richtigen Blick, ob es wirklich brennt oder nicht", sagt der 25-Jährige. Hinfliegen und nachsehen muss das Team allemal, sicher ist sicher.

Die Cessna brummt munter vor sich hin, während sie mit 150 Stundenkilometern in gut 1300 Metern Höhe über Dörfer, Einöden, Felder, Gehöfte und Waldgebiet hinwegfliegt. Der Blick von oben offenbart, wie weit die Energiewende schon vorangeschritten ist. Im Raitenbucher Forst steht Windrad an Windrad, wie Spargelstangen ragen sie aus dem Holz. Auf den Feldern reflektieren Photovoltaikmodule das Sonnenlicht. Wie eine Spielzeuglandschaft rauscht die Welt unter dem Flieger vorbei. "Manchmal sehen wir, wie jemand da drunten ein Feuer macht und vom Käfer befallenes Holz verbrennt", erzählt David Vogl - nicht immer seien dabei Sicherheitsabstände zum Wald eingehalten. "Wenn wir erkennen, dass der Bauer dabei steht, das Ganze beaufsichtigt ist und keine unmittelbare Gefahr droht, lassen wir es in der Regel gut sein."

Der Pilot hat derweil Kaldorf und Greding passiert und steuert an Beilngries vorbei. Von oben ist die Trasse der neuen Umgehungsstraße deutlich zu erkennen, im Bogen führt sie an der Sulzstadt vorbei. Der Flug geht weiter nach Schamhaupten, wo sich das Feriendomizil von Horst Seehofer befindet. Er wird in diesen turbulenten politischen Zeiten wohl kaum Muße finden, sich dort zu erholen. Ob seine Frau Karin da drunten vielleicht gerade nach dem Rechten sieht? Weiter geht's nach Altmannstein, Oberdolling, Kösching bis nach Ingolstadt, der Schatten der Cessna 172 lässt sich auf den Baumwipfeln erkennen. Von einem Brand nicht die geringste Spur, Gott sei Dank. Im Ernstfall könnte das Beobachterteam die Feuerwehr zur Brandstelle lotsen, sollte es sich um unübersichtliches Gelände handeln. "Wir melden aber auch Unfälle, Staus oder Hochwasser, wenn wir da etwas entdecken", sagt David Vogl.

An der Donau entlang führt die Route bis Neuburg, Burgheim und Bertoldsheim. Glitzernde Badeseen lassen in der engen, heißen Kabine kurz den Gedanken an ein kühlendes Bad aufblitzen. Kurz danach blitzt es anderswo: "Wir steuern direkt in eine Gewitterfront", sagt David Vogl. Auf seinem Smartphone kommen laufend Warnmeldungen herein. Der Himmel in der Ferne, dort, wo Thomas Daniel eigentlich hinsteuern möchte, wirkt bedrohlich schwarz, Wasserfahnen zeugen davon, dass es bereits stark regnet. "Wir kehren um", sagt der Pilot nach Rücksprache mit der Leitstelle. Die eigene Sicherheit geht vor, der Flug ist nach 160 Kilometern zu Ende. Vier Ehrenrunden dreht die Cessna um den Flugplatz, bis alle Segelflieger vor ihr am Eichstätter Frauenberg gelandet sind und auch die Sportmaschine herunterdarf.

Feierabend für heute, schon am Wochenende geht es weiter, die Regierung hat zusätzliche Kontrollflüge angesetzt. 15 waren es allein 2017 in Eichstätt, 21 in ganz Oberbayern. Die Behörde trägt die Flugkosten, derzeit sind es 200 Euro pro Stunde. Die Koordination läuft über das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Pfaffenhofen. Heuer wird es sicher weitere Flüge geben, sollte die Hitze anhalten. "Wir Luftbeobachter können das ganze Jahr zum Einsatz kommen, auch zur Schadenserhebung nach Unwettern", erklärt David Vogl. Nur dass er im Herbst und Winter nicht so stark schwitzen muss wie in diesem Bilderbuchsommer.

Horst Richter