Hundszell
Fleißig auf dem Feld der Digitalisierung

Robert Wagner aus Hundszell ist als "Landwirt des Jahres" nominiert - Er setzt auf moderne Technik

08.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:28 Uhr
"Wir wollen dazu beitragen, das Ansehen der Landwirte wieder zu heben", sagen Tanja und Robert Wagner. Deshalb haben sie auf einem ihrer Felder Tafeln aufgestellt, um über ihre Arbeit zu informieren. −Foto: Fotos: Eberl

Hundszell (DK) Der Ceres-Award ist die renommierteste Auszeichnung für Landwirte im deutschsprachigen Raum. Wer ihn erhält, ist "Landwirt des Jahres". Robert Wagner aus Hundszell gehört in diesem Jahr zu den Nominierten. In der Kategorie "Ackerbauer" ist er unter den ersten drei. Die Jury würdigt, dass Wagner mit digitaler Technik den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger spürbar senkt. "Wir müssen mit der Zeit gehen", sagen Robert Wagner und seine Frau Tanja.

Sie blicken gern zurück. Tief in die Vergangenheit. Robert und Tanja Wagner legen derzeit eine Chronik ihres Betriebs an, dem Ev-Hof in Hundszell. Wie sich dieser ungewöhnliche Hausname erklärt, haben sie noch nicht herausgefunden - nur, dass er in der von Emmi Böck aufgeschriebenen "Sage vom Gluthaufen" vorkommt. Auf Schwarzweißfotos stehen die Familienmitglieder aufgereiht vor dem Anwesen des Wagnerbauern und blicken ernst in die Kamera. Alle Frauen und Mädchen ganz in Schwarz, mit Kopftuch. Wie es früher in Bayern Tradition war.

Robert und Tanja, die Wagners der vierten Generation, haben zudem einen Stammbaum angefertigt. Mit Blasius Wagner, geboren 1887, beginnt die Geschichte der Familie in Hundszell. Er übergab den Hof 1951 seinem Sohn Josef, der ihn wieder einem Sohn namens Josef übergab, Robert Wagners Vater. Die Gesichter auf den bis zu 100 Jahre alten Porträtfotos erzählen von arbeitsreichen Leben. Momentaufnahmen aus einer längst vergangenen Zeit.

Doch man muss gar nicht so weit zurückblicken, um eine völlig andere bäuerliche Welt zu sehen. Wer hätte sich selbst vor 20 Jahren vorstellen können, dass bald Satelliten den Pflanzen auf den Äckern beim Wachsen zuschauen? Dass sie über Jahre regelmäßig aus dem Weltall Weizen, Gerste, Mais oder Zuckerrüben fotografieren, und eine Software die Bilder auswertet, bis der Landwirt eine "Applikationskarte" auf seinem Smartphone hat, die genau zeigt, wo der Boden besonders fruchtbar ist und wo weniger ergiebig. Das ist heute möglich. Wagner hat diese Technik schon bestellt und wird sie bald auf dem Ev-Hof einsetzen.

Doch der digitalen Hochblüte nicht genug: Die Analyse der Felder aus dem All ist mit dem Saatstreuer vernetzt, erklärt Wagner. Wenn die Fahrt über weniger fruchtbares Terrain geht, weiß die Maschine das und verstreut aufs Kilo genau angemessen viel Saatgut - und entsprechend andersherum auf besseren Böden. So wird der Einsatz optimiert.

"Das ist die Landwirtschaft der Zukunft", sagt Wagner. Bei ihm in Hundszell beginnt sie gerade. "Man muss sich heute einfach gut organisieren. Es ist auch nicht mehr so, dass drei Generationen auf einem Hof mithelfen wie früher, es arbeiten heute viel weniger Leute."

Technik auf der Höhe der Zeit steht ihnen zur Seite. Erleichtert die Mühen des Broterwerbs. Das war in der Landwirtschaft schon immer so. Egal, ob bei der Einführung der Fruchtwechselwirtschaft, der Erfindung des Kunstdüngers und des synthetischen Saatguts oder beim Siegeszug der Traktoren und Mähdrescher - alles revolutionierte den Alltag der Landwirte, erhöhte die Produktivität und damit den Nahrungsspielraum. Heute widmen sich fortschrittliche Bauern der aktuellen Revolution eben auf dem Felde der Digitalisierung. "Viele Leute glauben, Landwirtschaft bleibt immer Landwirtschaft", sagt Tanja Wagner. "Das stimmt aber nicht. Wir müssen immer mit der Zeit gehen, wir müssen Messen besuchen, Neuheiten im Blick haben und uns ständig fortbilden - denn sonst kommst du nicht mehr mit."

Wagner betreibt außerdem einen Agrarservice: Er bestellt die Felder von Nebenerwerbslandwirten, die sich so den Kauf großen Geräts (sowie viel Zeit) sparen. Und er kooperiert mit Voll-erwerbslandwirten, etwa Franz Wöhrl in Unsernherrn. Von wegen, Bauern beäugen einander immer nur eifersüchtig! Sie bündeln auch gerne ihre Kräfte.

Die süßesten Früchte der Digitalisierung sind schnell beschrieben: Man spart Geld, Zeit und Ressourcen. Der gedrosselte, weil optimierte Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln schont die Umwelt. Es wird auch weniger Diesel verbraucht, da die Maschinen kürzer laufen. "Wir erreichen eine höhere Flächenleistung in kürzerer Zeit", erklärt Wagner. Wenn er im Bulldog mit der bis zu 30 Metern Breite ausfahrbaren Feldspritze über seine Äcker fährt, speichert der Bordcomputer den Weg per GPS. "So werden Überlappungen verhindert. Sobald ich eine Stelle erreiche, über die ich schon gefahren bin, geht die Spritze aus." Sie kennt den Weg bereits; zentimetergenau. Der Ackergaul der Moderne arbeitet satellitengesteuert.

Wagners Anstrengungen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger deutlich zu senken, scheint die Juroren, die den Ceres-Award vergeben, besonders beeindruckt zu haben. Der Hundszeller hat nie damit gerechnet, nominiert zu werden - er wollte sich nicht mal bewerben. Dass die Wagners im Oktober zur Preisverleihung nach Berlin reisen werden, kam so: "Ich habe den Georg Mayerhofer kennengelernt, den Landwirt des Jahres 2017, als er einen Vortrag in Wolnzach gehalten hat." Der Landwirt aus Parschalling hat ihn beeindruckt. Wagner begann, sich für den Wettbewerb zu interessieren, schaute sich im Internet Videos von der Gala an, welche viele bekannte Gesichter aus der Branche beehren. Rasch beschloss er: "Ich will da hin!"

Als Wagner bei den Veranstaltern telefonisch Karten für den Festabend in Berlin bestellte, schlug ihm die Dame am anderen Ende vor, sich doch auch als "Landwirt des Jahres" zu bewerben. Doch der Hundszeller zögerte. "Die meisten, die da mitmachen, haben studiert. Aber ich habe nicht studiert. Ich habe Mechaniker und danach Landwirt gelernt." Seine Frau kommt aus einer Gastwirtsfamilie. "Ich habe im Donau-Hotel gelernt", erzählt Tanja Wagner. Gemeinsam arbeitete sich das Ehepaar durch die zehnseitigen Bewerbungsunterlagen, schickte sie ab und vergaß den Wettbewerb bald darauf. "Wir waren in Gedanken schon bei der Ernte."

Bis vor einer Woche die Nachricht kam: Wagner ist in der Kategorie "Ackerbauer" nominiert worden. Damit gehört er schon vor dem Finale zu den "30 besten Landwirten Deutschlands". "Wir wollten das eigentlich nicht rumerzählen, damit keiner sagt, wir würden uns produzieren", berichten die Wagners. Aber da die Stifter des Ceres-Awards (Ceres hieß die römische Göttin des Ackerbaus) Informationen über die Nominierten des Jahres 2018 bundesweit an die Medien mailten, riefen prompt der DONAUKURIER und Radio IN an.

Das Paar macht nun das Beste daraus und nutzt die neue Öffentlichkeit, um ein Anliegen zu pflegen, dass beiden sehr am Herzen liegt: "Wir wollen dazu beitragen, das Ansehen der Landwirte wieder zu heben. Wir wollen erklären, wie wir arbeiten, und warum die Arbeit der Landwirte sehr wichtig ist." Die Wagners werden des öfteren mit (aus Unwissenheit oder Ressentiments gespeisten) Vorurteilen konfrontiert: Naturzerstörung, Umweltvergiftung, Lärm - solche Sachen. Deshalb haben sie auf einem ihrer Felder Schautafeln aufgestellt, auf denen zum Beispiel erklärt wird, warum Pflanzenschutzmittel und Düngung nötig sind, was Biodiversität bedeutet und welch wertvollen Beitrag Landwirte zur Pflege der Natur leisten. "Das zu vermitteln, ist uns wichtig!", sagen Tanja und Robert Wagner. Deshalb nehmen sie den kommenden Rummel rund um den Ceres-Award gerne auf sich.

So vernetzt die Wagners mit der Digitalisierung auch sind - etwas nicht Unerhebliches fehlt ihnen noch: eine Internetseite und ein Facebook-Auftritt. Aber das holen sie gerade nach. "Unsere Tochter Antonia macht da Druck", gestehen die Eltern. Das Mädchen ist elf. Und auch schon in der digitalen Welt daheim.

Christian Silvester