Ingolstadt
Flamenco für Fans

Der zweite Bühnenabend des Internationalen Tanzfestivals Ingolstadt präsentiert Spanisches

06.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:09 Uhr

Flamenco Puro: Tänzerin Montserrat Suarez mit Partner José Maria Castano (links) und ihren Musikern - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Flamenco ist Hochleistungssport. Da stampfen Beine und klackern Fersen im Endlos-Staccato-Marathon, da schrammen Gitarristenfinger Akkorde im Akkord und vollführt die Sängerstimme inbrünstige Gewaltakte zwischen Kopf und Brust. Hören und Sehen vergeht dem Zuschauer angesichts dieses multiartistischen Spektakels, dieser traditionellen Kunstform eines Landes – die man womöglich gar nicht recht versteht.

Cantes (Gesang), baile (Tanz), toque (Instrumentalspiel) und palmas (Klatschen) beziehen sich schließlich aufeinander und alles folgt fremden vorgegebenen Metren und Regeln. Wovon der cantaor, der Sänger, klagend schreit, kann man dagegen immerhin beinah erraten: Von Liebe, Leidenschaft, Verlust!

Ein „special for fans“ haben sich die Veranstalter des Internationalen Tanzfestivals Ingolstadt für ihren zweiten Bühnentanzabend in der Kulturhalle neun ausgedacht, einen „Flamenco-Abend“, an dem man tatsächlich ausschließlich – Flamenco sieht. Traditionellen, nationalen Flamenco, den mit den stolzen Männern und den stolzen Frauen.

Zum Glück bricht das Ensemble Catarina Mora als Hauptakt des Abends dieses Rollenverständnis doch ein wenig auf. In der 80-minütigen Produktion „A las 5 de la tarde“ nach einem Gedicht von Garcia Lorca verströmen die schon mal 20-minütigen Männersoli auch einen Hauch Selbstironie, winzige szenische Einsprengsel gibt es dazwischen, und Catarina Mora, weibliche Protagonistin, sinkt auch mal angstvoll in sich zusammen, kauert scheu auf einem Stuhl: Mimik und Individualausdruck dürfen sein in diesem Stück. Grenzerweiterndes „Tanztheater“ wie angekündigt – und wie man es im vergangenen Jahr bei dem geradezu revolutionären Tanzfestival-Auftritt des Flamenco-Duos Marco Vargas und Chloé Brulé erleben durfte – ist es aber leider nicht; zu schwach ist die Erzählregie; sie bleibt nur ein kleiner Rahmen um virtuose Tanzdemonstrationen.

Offenbar bestand das (eher spärliche) Publikum jedoch aus wirklichen Flamenco-Fans und goutierte den Auftritt der aus Stuttgart stammenden Mora und ihres sechsköpfigen Tanz- und Musikerensembles mit schier endlosem Jubel. Beifall zu Recht: Staunen machen vor allem die ungeheuer langen, machistischen Solo-Tanzwettkämpfe (Thema: Die Stunde der Entscheidung, eine Frau zwischen zwei Männern) der Tänzer Angel Munoz und Miguel Angel, deren Beine präzis wie Nähmaschinen rattern zur passgenauen, leidenschaftlichen Musik der Instrumentalisten und Sänger.

Die nimmt auch im ersten Teil des Abends, beim „Flamenco Puro“ und der fünfköpfigen Truppe um Montserrat Suarez eine Führungsrolle ein, nicht zuletzt des lautstark-inbrünstigen cantaors Juan Granados wegen, der temperamentvoll mitmischt im Geschehen. Ohne den Anspruch etwas anderes zu sein als ein traditionelles Flamenco-Ensemble performt man unbefangen und authentisch Lied um Lied, Tanz um Tanz, stampft, klackt mit den Füßen. 868 solcher Flamenco-Tabs in der Minute schafft die Münchnerin Montserrat Suarez, weshalb sie Vizeweltmeisterin beim „Guiness World Record“ geworden ist; aber José Maria Castano, jung, schmal, beweglich, steht ihr in seinen wilden Soli mitnichten nach. Bis auf eine Nummer nämlich tanzt man einzeln, wie es sich im Flamenco so gehört. Und reißt beinah noch mehr als Mora das Publikum zu Jubelstürmen hier.

Und wieder zu Recht: War ja auch gut. Für einen von nur zwei professionellen Bühnentanzabenden des Festivals von Veranstalterseite aber vielleicht doch ein bisschen mutig – und das nicht neuer Tanztendenzen wegen.