FIFA wieder im Zwielicht der Skandale - Kein Tag für Blatter-Tänzchen

27.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

Zürich/Washington (dpa) Die FIFA wird wieder von einem Skandal erschüttert. Ermittler nehmen sieben Funktionäre, darunter zwei Vize-Präsidenten fest. In der Zentrale werden wegen der WM 2018 und 2022 Dokumente beschlagnahmt. Die FIFA und ihr Chef Blatter wollen aber weitermachen wie gehabt.

Korruption, Bestechung und jahrelange dunkle Machenschaften: Der ramponierte Ruf der FIFA hat an einem schwarzen Mittwoch in Zürich weiter massiv Schaden genommen und einen großen Schatten auf den bevorstehenden Wahlkongress des Fußball-Weltverbands geworfen. Präsident Joseph Blatter wies trotz der Festnahme von zwei seiner Stellvertreter sowohl Forderungen nach einer Absage des Jahrestreffens der 209 FIFA-Mitglieder als auch nach seinem Rücktritt zurück. Die Präsidentschaftswahlen am Freitag mit seiner erwarteten Bestätigung im Amt sollen stattfinden.

Im Morgengrauen hatten Schweizer Sicherheitsbehörden unabhängig voneinander gleich an zwei Orten in Zürich Ermittlungen wegen möglicher Vergehen innerhalb des FIFA-Apparats vorangetrieben. Und erneut kommen Beschuldigte aus dem engsten Machtzirkel um Blatter. Im Hotel Baur au Lac wurden unter anderem die FIFA-Vizechefs Jeffrey Webb von den Kaymaninseln und Eugenio Figueredo aus Uruguay neben fünf weiteren Spitzenfunktionären festgenommen.

Ihnen werden organisiertes Verbrechen und Korruption vorgeworfen. Insgesamt ermittelt das US-Justizministerium, das die Schweizer Behörden um Amtshilfe ersucht hatte, gegen 14 Personen. Sie sollen seit Anfang der 90er Jahre Schmiergelder von mehr als 150 Millionen Dollar von Vermarktern für die Vergabe von Fußballturnieren erhalten haben. 110 Millionen Dollar sollen allein für Vermarktungsrechte für die Copa America 2016 in den USA geflossen sein.

"Sie haben das weltweite Fußballgeschäft korrumpiert, um sich selbst zu bereichern", sagte US-Justizministerin Loretta Lynch am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in New York. "Sie haben es immer und immer wieder gemacht. Jahr um Jahr, Turnier um Turnier." Lynch kündigte an, die Korruption im Weltfußball rigoros bekämpfen zu wollen.

Unabhängig von den US-Ermittlungen stellten Schweizer Behörden in der Zentrale des Fußball-Weltverbandes elektronische Daten und Dokumente sicher. Die zuständige Bundesstaatsanwaltschaft eröffnete ein Strafverfahren im Zusammenhang mit den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022. Nach Behördenangaben geht es um den Verdacht "der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie des Verdachts der Geldwäscherei gegen unbekannt". Bis zu zehn an der WM-Vergabe beteiligte Mitglieder des Exekutivkomitees sollen noch verhört werden.

Russland sieht sich als Gastgeber 2018 nicht belastet. Die betroffenen Funktionäre hätten "keine Beziehung" zu dem Turnier in drei Jahren, sagte Sportminister Witali Mutko der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Russland sei zur Zusammenarbeit mit den Behörden bereit. "Wir haben nichts zu verbergen." Auch bei der FIFA gibt es an den WM-Planungen keine Zweifel.

Die WM-Ermittlungen gehen auf eine Strafanzeige der FIFA vom 18. November 2014 zurück. "Das Timing ist nicht das beste", räumte FIFA-Kommunikationschef Walter de Gregorio ein, generell sei das Verfahren aber gut für die FIFA "im Sinne der Transparenz". Der Kongress des Dachverbandes und die Wahl seines Präsidenten mit Blatter und seinem einzigen noch verbliebenen Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein soll durchgeführt werden. Ein Rücktritt Blatters sei kein Thema. "Warum soll er zurücktreten? Er wird nicht verdächtigt", sagte de Gregorio.

Aus dem Hauptquartier berichteten FIFA-Mitarbeiter von einer "extrem angespannten Stimmung". Blatter sagte alle seine Termine des Tages ab. "Er tanzt natürlich nicht in seinem Büro", sagte de Gregorio zum Gemütszustand des Präsidenten. Auch bei einer Sitzung des südamerikanischen Verbandes CONMEBOL soll es eisig zugegangen sein. Erstmals wurden in dem Blatter freundlich gesonnenen Gremium kritische Stimmen laut, hieß es.

Blatters Kritiker formierten sich noch am Mittwoch und stellten den Fahrplan der Kongresswoche infrage. Blatter-Herausforderer Al-Hussein forderte natürlich auch aus eigenem Interesse einen generellen Wandel: "Wir können so nicht weitermachen. Die Krise dauert an und ist nicht nur an die heutigen Ereignisse geknüpft. Die FIFA braucht eine Führung, die regiert, führt und unsere Verbände schützt."

Die UEFA, die Al-Hussein unterstützt, und als einzige Konföderation zuletzt auf Distanz zu Blatter gegangen war, reagierte "erstaunt und traurig" auf die Entwicklungen. "In der UEFA werden wir angesichts dieser Vorkommnisse beraten, wie wir uns auf dem bevorstehenden FIFA-Kongress verhalten", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der am Freitag ins Exekutivkomitee des Weltverbandes aufrücken soll. Eduardo Li, Verbandschef aus Costa Rica, soll dann Kollege von Niersbach werden. Er gehört aber auch zu den Festgenommenen, denen nun eine Auslieferung in die USA droht.

Der als FIFA-Kritiker bekannte Ligapräsident Reinhard Rauball forderte leicht verklausuliert den Rücktritt Blatters: "Sepp Blatter - obgleich offensichtlich persönlich nicht betroffen - sollte dem Fußball einen großen Dienst erweisen. So kann es nicht weitergehen", sagte er in einer Mitteilung der Deutschen Fußball Liga.

Unter den insgesamt 14 Verdächtigen ist auch der frühere FIFA-Vizepräsident Jack Warner aus Trinidad und Tobago. Warner beteuerte indes in einer Stellungnahme seine Unschuld. Er sei nicht verhört worden und könne ruhig schlafen. In den USA laufen seit längeren Untersuchungen des FBI gegen frühere FIFA-Funktionäre. Der ehemalige US-Verbandschef Chuck Blazer und Warner gehören zu Beschuldigten in diversen Korruptionsverdachtsfällen.

Wie das US-Justizministerium erklärte, sollte am Mittwoch in Miami auch das Hauptquartier des nord- und mittelamerikanischen Dachverbandes CONCACAF durchsucht werden. Korruption sei weit verbreitet, systematisch und tief verwurzelt sowohl in den Vereinigten Staaten als auch im Ausland, erklärte Lynch. Auch vor der WM 2010 in Südafrika sei es zu illegalen Deals gekommen. Bei der Beurteilung der Vergabe der WM 2018 und 2022 müsse die FIFA "tief in ihre Seele blicken".