Feuerwerk des Gypsy Swing

27.09.2020 | Stand 02.12.2020, 10:29 Uhr
Gismo Graf gastierte im Neuburger Birdland. −Foto: Leitner

Neuburg - Nein, Angelo Debarre, der französische Saitenzauberer, steht nicht wie angekündigt zusammen mit dem Gismo Graf Trio auf der Bühne des Neuburger Birdland.

Er musste wegen eines verspätet zugestellten Testergebnisses auf die Anreise aus dem Nachbarland verzichten. Und so erlebt das Auditorium im ausverkauften Club also einen Abend ohne Gaststar, ein "normales" Konzert mit Gismo Graf (Sologitarre), Joschi Graf (Rhythmusgitarre) und Joel Locher (Kontrabass).

Aber was ist schon normal, wenn Gismo Graf erst einmal loslegt. Er ist nun mal zweifelsohne ein begnadeter Virtuose, der die beiden Sets hindurch mit enormer Geschwindigkeit die Finger laufen lässt und bei aller Rasanz doch so wunderschöne melodische Spannungsbögen in das Gewölbe unter der ehemaligen Hofapotheke zaubert, dass man nur noch hingerissen lauschen kann. Kaskadenartig ergießen sich Tongirlanden in den Raum, immer wieder sprudeln kunstvoll gestaltete Motive und Phrasen glasklar aus dem Korpus, und ein ums andere Mal sitzt man im Auditorium und kann nur staunen über diesen Ausnahmegitarristen, der hier zusammen mit seinen Kollegen ein wahres Feuerwerk des Gypsy Swing auf 16 Saiten abbrennt.

Wie ausnahmslos alle seiner Kollegen steht er in der Tradition des großen Django Reinhardt, aber er übersetzt wie sonst nur wenige dessen Kompositionen auf höchst eigenständige Art ins 21. Jahrhundert. Reinhardts "Belleville", "What Kind Of Friend" und der großartige, in der Version Grafs mit Zitaten nur so gespickte "Minor Blues" sind denn auch die Eckpunkte des Programms.

Aber weil er eben auch immer wieder gerne über den Tellerrand hinausschaut, intoniert er auch Dick Winfrees "China Boy" und ist dabei stellenweise einem Tommy Emmanuel sogar näher als Reinhardt. Und als er dann auch noch anlässlich der Eigenkompositionen "Festival Django" zum Bossa Nova wechselt oder mit Michael Jacksons "Liberian Girl" zum Pop, ist endgültig klar: Bei aller Verwurzelung kennt dieses Trio keine Genregrenzen.

Während Joschi Graf wie ein Präzisionsuhrwerk die Richtung vorgibt, an die sich alle zu halten haben, wird Joel Locher mit seinen ungemein flüssigen solistischen Beiträgen zu Gismos Sparringspartner und ist lebender Beweis dafür, dass es grundfalsch ist, die Kontrabassisten des Gypsy Swing lediglich als Begleitmusiker abzutun, was ja leider oft passiert. Und das Publikum? Das hält während jedes einzelnen Stückes des Konzerts kollektiv den Atem an. Um dann nach dem fulminanten Schluss jeweils ebenso kollektiv loszujubeln. Dass Angelo Debarre lediglich einmal kurz geistig anwesend ist, als das Trio sein "Swing Chez Toto" spielt, ist natürlich schade, aber die Band ist an diesem Abend derart hervorragend in Form, dass man sein Fehlen - wenn man ehrlich ist - gar nicht wirklich bemerkt.

DK