Pfaffenhofen
Feuerwerk an zwei Klavieren

Furioser Start in die neue Saison der Pfaffenhofener Rathauskonzerte

16.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:57 Uhr

Ein nicht alltägliches Bild: Weil am Steinway-Flügel beim Klavierspiel an einer sehr lauten Stelle eine Saite riss, musste der Klavierstimmer Barthel aus Ingolstadt eine neue Saite einziehen. Die zwei Virtuosen Claudia Hölbling und Christian Strauß verfolgen den Vorgang etwas angespannt - Foto: Feßl

Pfaffenhofen (PK) Mit einem Jubiläumskonzert sind die Rathauskonzerte bereits zur fünften Saison im neuen Rathaussaal gestartet. Und was früher nicht selbstverständlich war, ist zur schönen Gewohnheit geworden: Die Konzerte sind fast immer ausverkauft.

Die Konzertbegeisterten verlassen sich auf das Qualitätsangebot, und die Erwartungen wurden auch dieses Mal nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Ein größeres Brillant-Feuerwerk hätte man sich kaum vorstellen können. Zwei junge Virtuosen, die sich zum Klavierduo Piamor zusammengeschlossen haben, schaffen es, dass die Mischung aus Piano und Amor zum besonderen Highlight wird.

Claudia Hölbling ist dem Pfaffenhofener Konzertpublikum aus früheren Jahren schon bekannt, wo sie als Meisterschülerin von Professor Karl Betz – damals im alten Rathaussaal – die Zuhörer begeisterte. Mit ihrem Duopartner Christian Strauß gewann sie zahlreiche Wettbewerbe. Der größte Erfolg der beiden war sicher der 1. Preis beim Concours Grieg in Oslo vor zwei Jahren.

Ferruccio Busoni war vor einem Jahrhundert der Meister der Transkription. So manches Standardwerk der Musikliteratur bearbeitete er. Auch Mozarts Ouvertüre zur Zauberflöte, diesen Ohrwurm, den man, einmal gehört, sein Leben lang nicht mehr vergessen kann, setzte er für zwei Klaviere um. Busoni verehrte Mozart, von dem er sagte: „Er ist die bislang vollkommenste Erscheinung musikalischer Begabung, nie veraltet und nie modern.“ Seine Bearbeitung kann deshalb per Definition gar keine Weiterentwicklung sein, nur eine andere Instrumentierung. Die aber sitzt. Und das Duo Piamor liefert feinfühlig Mozart vom Feinsten. Oder Busoni? Nein, Mozart war zu hören, niemand sonst.

Die zweite Transkription dieses Konzertabends findet sich am Programmende: Nicolas Economou, der in Nikosia geborene Pianist und Komponist, setzt Tschaikowskys Nussknackersuite für zwei Klaviere um. Vom Werkverständnis her macht ihm keiner etwas vor, er gewann Tschaikowsky-Wettbewerbe und spielte zusammen mit Stars der Klavierszene, ehe er 1993 mit 40 Jahren bei einem Autounfall verstarb.

Und unser Duo? Hölbling und Strauß finden zu einer seltenen Perfektion und Brillanz, sie sind dabei an Leichtigkeit und Beschwingtheit nicht zu überbieten. Ballettmusik muss immer „leicht“ im Sinne von tanzbar sein, Priamor schafft das. Ein Höhepunkt ist dabei sicher der erst gemächliche, dann fulminant gesteigerte und dabei stets duftig bleibende Blumenwalzer.

Noch einmal muss bei einem Stück ein großer Name Pate stehen: Die Paganinivariationen in a-Moll des Polen Witold Lutoslawski zeugen von großem Respekt vor dem italienischen Tausendsassa. Paganinis „Caprice Nr. 24“ für Solovioline ergibt schließlich zwölf Variationen, denen sich Liszt und Brahms schon widmeten. Lutoslawski versuchte sich zweimal, 1941 und 1978, an dem Meisterwerk, das ihn in schlimmsten Kriegszeiten bereits manche Stunde in Warschau erhellen konnte. Hölbling und Strauß, frei von historischer Vorbelastung, geben sich unter vollem Körpereinsatz dem schwierigen Werk hin, schwelgen einfach in schöner Musik und demonstrieren, was zwei Klaviere können, wo sie sich von der Violine unterscheiden.

Maurice Ravels „La valse“ liefert Musik feurigster Art. Claudia Hölbling und Christian Strauß rühren in den Tiefen der Emotionen, und wer historische Aufnahmen dieses Meisterwerkes kennt, zum Beispiel mit Martha Argerich, der wird feststellen: Die beiden im Rathaussaal machen es nicht schlechter. Sie loten die Möglichkeiten der gut temperierten Klaviere aus und entlocken den Instrumenten das Äußerste. Ebenso bei Sergej Rachmaninoffs „Suite tableaux“: Die Bandbreite der Gefühle, vom fast wehmütigen Adagio sostenuto bis hin zum feierlich-starken Allegro maestoso, darf der Zuhörer mitfühlen, darf mitleiden und wieder tief durchatmen. Die beiden entpuppen sich besonders hier als echte Künstler, sind weit mehr als nur Noten spielende Virtuosen.

Schließlich wagen sich die beiden noch an die Vertonung von Goethes Zauberlehrling, dem bekanntesten Werk des Franzosen Paul Dukas. Programmmusik ist ohne Textkenntnis schwer bewertbar. Ein Glück, dass viele Besucher die Ballade noch kennen und mit nachvollziehen können, wie sehr die Spannung im neugierigen Lehrling wächst, dem die Dinge zu entgleiten scheinen. Auch das glückliche Ende ist mit den Mitteln der Musik vermittelbar. Die Frage bleibt, ob man dieses Orchesterwerk aber nicht lieber dem Orchester überlassen sollte, lebt es doch wesentlich von der Farbigkeit der Instrumente, haben doch Fagott oder Trompete jeweils eine deutliche Funktion.

Für den Eindruck von einem insgesamt gewaltigen Konzertabend ist diese Frage jedoch eher marginal. Das Duo Piamor schenkte den Zuhörern zum Saisonauftakt eine Palette musikalischer Leckerbissen; die zwei jungen Künstler überzeugten in einem Maße, dass man sich um ihre künstlerische Zukunft keine Sorgen zu machen braucht. Ein langer Beifallssturm spricht Bände, der Wunsch nach einem Wiedersehen wird den beiden mit auf den Weg gegeben. Es war einfach toll!